Hauptstadtvertrag unterschrieben

■ Bundesregierung möchte Bauleitplanung an ihre Erfordernisse anpassen/ Berlins Bezirke entmachtet

Berlin/Bonn (taz) — Der zwischen Bonn und Berlin abgestimmte Hauptstadtvertrag wurde gestern vom Berliner Senat und vom Bundeskabinett unterzeichnet. Der Vertrag, den Diepgen gestern der Presse übergab, wird dann am 25. August vom Bundeskanzler und dem Regierenden Bürgermeister unterschrieben. In dem Vertrag wird festgelegt, daß Berlin zur Hauptstadt ausgebaut wird. Weiter wird eine Änderung des Baugesetzbuches beschlossen, die den Verfassungsorganen des Bundes besondere Rechte einräumt. So dürfen die Verfassungsorgane des Bundes ihre Erfordernisse eigenständig feststellen. Die Bauleitplanung ist so anzupassen, daß diesen Erfordernissen in geeigneter Weise Rechnung getragen wird.

Diepgen verteidigte diese, schon zuvor von den Grünen und vom SPD- Landesvorsitzenden Walter Momper kritisierten Passagen. Berlin entscheide, was gebaut werde, nicht der Bund, sagte er. Man gebe keine Verantwortung ab. Diepgen verwies auf den Gemeinsamen Ausschuß, der laut Vertrag solche Fragen klären soll. Darin seien Berlin und Bund vertreten. Weiter legte Diepgen einen Brief des Staatssekretärs im Bundesbauministerium, von Loewenich, vor. Darin steht, daß der Abwägungsvorgang in der Bauleitplanung die Sache Berlins sei. Die Verfassungsorgane des Bundes müßten ihre Erfordernisse mit förmlichen Beschluß für notwendig erklären.

Auch Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) wand sich in Bonn vor der Presse gegen den Eindruck, dem Bund würden Sonderrechte als Bauherr eingeräumt. Von einem Diktat könne keine Rede sein, sagte Schwaetzer. Die Bürgerbeteiligung würde nicht beeinträchtigt.

Diepgen verwies darauf, daß der Bund die Verpflichtungen Berlins zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Repräsentation abgelten werde. Näheres dazu, auch über einen Zeitpunkt, konnte Diepgen nicht sagen. Er betonte aber, daß nach dem gestrigen Beschluß des Kabinetts die Bundeshilfe von Berlin weiter gekürzt worden sei, so daß es nun eine Deckungslücke von einer Milliarde Mark gebe.

Weiter müssen die Berliner Bezirke ihre Zuständigkeiten in der Bauleitplanung an die Senatsverwaltung abgeben, soweit es Regierungsbauten betrifft. Für die Verkehrsplanung ist nun der Verkehrssenator in einem mehrere Kilometer durchmessenden innerstädtischen Gebiet zuständig. Kritiker vermuteten, daß über diese Hintertür die CDU ihre in den Bezirken umstrittene autofreundliche Politik durchsetzen will. Dies wies Diepgen zurück. Es gehe nur darum, daß Verantwortliche für Großprojekte nicht von Pontius zu Pilatus rennen müßten. Die SPD- Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus stellte sich gestern voll hinter den Hauptstadtvertrag. Diepgen geht davon aus, daß die Bundesregierung noch dieses Jahrzehnt nach Berlin komme. Eva Schweitzer