5.000 Flüchtlinge dürfen einreisen

5.000 an den Grenzen wartende Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien werden ohne Visa mit einer Ausnahmeregelung aufgenommen/ NRW drängt auf weitere Einreisegenehmigungen  ■ Von T. Brund und W. Jakobs

Bonn/Düsseldorf (taz) — Die Bundesrepublik hat sich zu einer „einmaligen humanitären Aufnahmeaktion“ durchgerungen und wird sofort 5.000 bosnische Flüchtlinge aufnehmen — Frauen und Kinder, die bereits an den Grenzübergängen in Zügen sitzen und auf Hilfe warten. Weil die Gespräche von Außenminister Klaus Kinkel mit seinen EG-Kollegen über das Flüchtlingsproblem weit weniger erfolgreich waren als die einschlägigen Verhandlungen über Flottenverbände und Aufklärungsflugzeuge vor der jugoslawischen Küste, versteht die Bundesregierung ihre Hilfsaktion als „Vorgriff auf eine nach wie vor notwendige europäische Kontingentvereinbarung“. Die jetzt aufgenommen Flüchtlinge sollen angerechnet werden, sollte es denn jemals zwischen den Europäern zu einer Kontingentierung kommen. Bundesinnenminister Rudolf Seiters, der die mit den Landesministern vereinbarte Entscheidung gestern bekanntgab, bezifferte die deutschen Hilfsleistungen auf insgesamt 150 Millionen DM. Der Minister: „Mit ihren Leistungen steht die Bundesrepublik an der Spitze aller Gebernationen.“

Das ist offenbar Grund genug, eine grundlegende Regelung für die Flüchtlingsströme aus dem Kriegsgebiet immer noch zu verweigern. Die Visumspflicht bleibt, der vom UN-Flüchtlingskommissar auch gestern wieder geforderte eigene Aufenthaltsstatus (B-Status) wird nicht gewährt, das Kontingentflüchtlingsgesetz nicht angewendet. Die rechtliche Grundlage für die nun ins Land kommenden Menschen — Not-Visa sollen unbürokratisch erteilt werden — bleiben die §§32 und 54 des Ausländerrechts, nach denen ein begrenztes Aufenthaltsrecht eingeräumt werden kann. B-Status, Kontingentflüchtlingsgesetz oder gar die Aufhebung der Visa-Pflicht wären nach Ansicht der Bundesregierung das falsche Signal an die EG-Partner.

So konnte Seiters die Frage nicht beantworten, was passieren wird, wenn die Flüchtlingsströme anhalten und wieder Tausende vor den geschlossen Grenzübergängen warten. Die Aufnahme der 5.000 hilft nicht einmal allen, die jetzt auf der Flucht sind. 660 Visa-Anträge werden derzeit täglich an den Grenzen bewilligt, 30.000 seit Mai dieses Jahres.

Der Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor geht davon aus, daß Deutschland über die gestern vereinbarte Aufnahme von 5.000 Menschen aus Bosnien-Herzegowina hinaus zusätzliche Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet aufnehmen wird. „Wir sind dazu willens und imstande“, sagte Schnoor gestern in Düsseldorf. Angesichts der dramatischen Entwicklung in Bosnien-Herzegowina könne die Aufnahme der 5.000 nur ein erster Schritt sein.