Sarajevo: Luftbrücke steht wieder

■ Doch in Bosnien wird weiter gekämpft/ Kroatien will geflüchtete Männer nach Bosnien abschieben

Sarajevo (AFP/taz) — Lord Carrington bleibt optimistisch. Obwohl auch am zweiten Tag des von ihm vereinbarten „Waffenstillstandes“ in Sarajevo und Gorazde gekämpft wurde, wollte der EG-Vermittler das Scheitern seiner Bemühungen noch nicht eingestehen. Statt dessen appellierte er — überraschend undifferenziert — an die internationale Gemeinschaft: Sie solle ihren Druck auf „alle drei“ kriegführenden Parteien in Bosnien weiter verstärken. Am Montag abend hatten die EG-Außenminister in Brüssel einen Ausschluß Jugoslawiens aus allen internationalen Gremien gefordert.

„Die bisher schärfste Warnung“ wollte Carrington einer der Kriegsparteien noch am Dienstag übermitteln. In Belgrad traf er mit dem serbischen Präsidenten Milosevic und dem jugoslawischen Staatschef Cosic zusammen. Dabei wies der serbische Präsident den Vorschlag Carringtons nach einer Konferenz über die überwiegend von Albanern bewohnte Provinz Kosovo kategorisch zurück. Begründung: Im Rahmen der Jugoslawien-Friedenskonferenz gebe es bereits eine Kommission für Menschenrechte. Serbien hielte sich völlig an die EG-Prinzipien über nationale Minderheiten.

Hoffnung trotz Kämpfen gab es für die Bewohner Sarajevos. Die Hilfsflüge in die seit Monaten eingeschlossene Stadt konnten — wenngleich mit einer Unterbrechung — wieder aufgenommen werden, sechs Flugzeuge landeten bis zum frühen Dienstagnachmittag. Vom Flughafen in Sarajevo startete auch der bosnische Präsident Izetbegovic zu einem Kurzbesuch in Zagreb. Dort wollte er mit Kroatiens Staatschef Tudjman über die militärische Zusammenarbeit zwischen Bosnien und Kroatien sprechen. Bisher waren Gerüchte über einen Militärpakt stets dementiert worden.

Eine umfassende Abschiebung bosnischer Flüchtlinge nach Bosnien scheint Kroatien zu planen. Nach einem Bericht der Zagreber Nachrichtenagentur Hina sollen alle arbeitsfähigen männlichen Bürger Bosnien- Herzegowinas wieder in „befreite und sichere Gebiete“ Bosniens zurückgeschickt werden. Konkret sieht das Flüchtlingsbüro der Regierung die Rückführung von zunächst 4.000 Bosniaken vor. Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren könnten nicht als Flüchtlinge in Kroatien bleiben, weil sie aufgrund der kürzlich ausgerufenen Mobilmachung der Republik Bosnien verpflichtet seien, sich an der Verteidigung ihres Landes zu beteiligen.

Bereits am Montag waren 1.300 Bosniaken in einem Schiff von Rijeka nach Split gebracht worden, von wo sie nach Posusje und Tomislavgrad im Südwesten Bosniens weitertransportiert werden sollen. Die meisten von ihnen waren vor einer serbischen Offensive in Nordbosnien nach Ostslawonien geflohen. Wie ein Sprecher des kroatischen Flüchtlingsbüros erklärte, haben die bosnischen Behörden angekündigt, keine Sanktionen gegen die geflohenen Männer zu verhängen. her