SOMNAMBOULEVARD — MFG. ZUM SIRIUS Von Micky Remann

Einige Schlafwandler sehen der heutigen Nacht mit einer besonderen Mischung aus Knieschlottern und Reisefieber entgegen, so ähnlich wie beim ersten Kuß oder dem ersten Fallschirmsprung. Geht doch eben gerade über den Pyramiden Ägyptens der Stern Sirius nach langer Tauchfahrt im kosmischen Untergrund wieder auf, um sein silbernes Laserlicht in die Synapsen argloser Traumwesen zu wummern, die dabei, ohne Vorwarnung und ohne Rucksack auf dem Astralkörper, in Gefilde preschen, wo sie sich fragen, ob sie im Universum nebenan oder nur auf einer normalen Nachbargalaxie zu Gast sind.

Andererseits, warum nicht, und schließlich war das schon immer so um diese Zeit, und besser man läßt sich auf den kosmischen Stoffwechsel im Traum ein als gar nicht. My home is my castle but my brain is my pyramid. Einige unserer vehementesten Sirianer haben sich bereits auf im Winkel von 51 Grad zum östlichen Horizont ausgerichteten Matten ausgestreckt, hören neuroaktive Musik und umgeben sich mit Strobelight-Blitzen — „Ondulationen Gottes“ genannt —, die sie auf die Oktavfrequenzen des Sirius einstimmen sollen. Dann schließen sie im Traum die Augen und stellen beim Fernseher am Dritten Auge nur noch rasch die Schärfe nach.

Als ausgemachter Höhepunkt der Nacht gilt das Einsetzen eines sterntalerhaften Rieselns im Rückgrat vom Scheitel bis zur Sohle, das den Beginn einer Resonanz zwischen den Sirius-Vibrations und dem eigenen Nervensystem anzeigt. Nicht wenige wachen dabei ungewollt auf, und denken sie träumen, während andere träumen, die seien gerade wachgeworden, aber wahrscheinlich stimmt beides nicht, da sind selbst gewiefte Klarträumer platt. Andere fühlen sich wie angesogen von einem buntschillernd rotierenden Trichter, der offenbar luzide Mitfahrgelegenheiten nach Outer Space anbietet. Couragierte gehen oft soweit, ihren feinstofflichen Daumen rauszuhalten, um in dieser auserkorenen Nacht eine flotte Sause in die Zukunft zu erwischem. Doch dann kann es sein, daß sie in Windeseile wieder zurück auf dem Somnamboulevard sind und trotzdem lauter verquaste Statements loslassen über die Fraktalstruktur intertemporärer Frequenzen, und daß es egal sei, wie lange, und ob man in die Zukunft oder in die Vergangenheit reisen oder rieseln würde, denn beide seien Echos voneinander, die sich da kreuzen, wo wir in der Gegenwart zufällig herumträumen und dergleichen mehr. „Papperlapapp, wir merken nichts davon!“ sagen die, die immer noch mit wedelndem Astraldaumen in den pyramidalen Liegestühlen darauf warten, daß der Triptraum endlich losgeht. Doch die beseelten Siriuslehrer lassen nicht locker mit ihren intertemporären Fraktalfrequenzen und behaupten, daß in dieser — und nur in dieser — Nacht der Abstand zwischen zwei Zeiteinheiten von willkürlicher Länge sei, so daß in einer einzigen Sekunde sirianischer Traumzeit soviel geschehen könne wie sonst in einem ganzen Jahr Wachzeit nicht.