Vor der Wahl

■ Japan und Deutschland eint das Band der Geschichte

Vor der Wahl Japan und Deutschland eint das Band der Geschichte

Vor knapp zwei Jahren stand Japan da, wo Deutschland heute steht: Zum ersten Mal nach Ende des Kalten Krieges debattierte das Parlament inmitten einer internationalen Krise den Auftrag seiner Streitkräfte. Damals stand der Golfkrieg vor der Tür. Doch Japan fand keine schnelle Antwort. Erst vor wenigen Wochen, im Juni 1992, verabschiedete das japanische Parlament ein neues Blauhelmgesetz. Haben die Japaner den Deutschen damit ein Beispiel gegeben? Zumindest die SPD sollte so denken. Tatsächlich hat sich Japan heute die SPD-Position ins Gesetzbuch geschrieben. Nur unter UNO-Befehl und nur zur Friedenserhaltung nach einem Waffenstillstand dürfen japanische Soldaten ins Ausland ziehen. Wenn also die Japaner sich damit begnügen, warum sollte die Deutschen nach mehr gelüsten?

Doch natürlich lebt das Land in anderer Nachbarschaft. Während die Skepsis der asiatischen Nachbarn sicherlich ihren Teil dazu beitrug, die Regierung in Tokio von ihren Plänen für Kampfeinsätze abzuhalten, sieht sich die Bundesrepublik durch Nato und WEU dazu ermuntert. Interessant aber wird der Vergleich zwischen beiden Ländern, wenn man erkennt, daß die allzu häufigen Verweise auf den Willen der Nachbarstaaten nur die nationale Entscheidung verschleiern wollen. Es ist ja kein Zufall, daß Deutsche und Japaner heute vor der gleichen Wahl stehen. Gelegentlich ist die Geschichte des Zweiten Weltkriegs immer noch mächtig genug, diesen beiden Nationen zeitgleich ihren politischen Terminkalender zu schreiben. Das läßt wiederum erahnen, wie sehr der balkanische Bürgerkrieg in der Bonner Debatte einem Vorwand gleicht. Auch ohne Sarajevo würde Bonn heute über die Bundeswehr streiten. Denn Japan und Deutschland vereinen die Bande der Weltgeschichte. Die können stärker sein als manches gutgemeinte Staatenbündnis.

Als führende Wirtschaftsnationen könnten Deutsche und Japaner im Einklang Zeichen setzen, die George Bush mit seinem Appell an eine neue Weltordnung nicht zu setzen vermochte. Kurz: Japan und die Bundesrepublik könnten sich als Weltmächte neuen Charakters anbieten — ohne Eingreiftrupps und Überseeflotte, ohne Atomwaffen sowieso, jedenfalls über sicherheitspolitische Erwägungen hinausdenkend. Es sieht so aus, als habe Japan diesen Weg gewählt. Der Grund dafür ist einfach zu finden: Japan fühlt sich heute stark genug, so wie es ist. Haben die Deutschen soviel Selbstbewußtsein? In diesem Fall bräuchten sich Japaner und Deutsche vor niemanden in der Welt zu verstecken. Es ist ja auch kein Zufall, daß beide gerade beim internationalen Umweltschutz die tonangebenden Nationen sind. Georg Blume, Tokio