Drastisches Sparprogramm für Spanien

■ Investitionen für Großereignisse haben tiefes Loch in die Haushaltskasse gerissen/ Gewerkschaften, Unternehmer und Opposition kritisieren Maßnahmen/ Erfüllung der Maastricht-Verträge gefährdet

Madrid (dpa/VWD) — Spanien steht in diesem Jahr im Blickpunkt: Am Wochenende beginnen die Olympischen Spiele in Barcelona, in Sevilla findet die Expo statt, und Madrid ist in diesem Jahr Europas Kulturhauptstadt. Doch bevor die Feste so richtig in Schwung gekommen sind, hat sich bereits Katerstimmung breitgemacht. Der Grund: Die riesigen Investitionen für die Großereignisse haben ein tiefes Loch in die Haushaltskasse gerissen. Im ganzen Jahr 1992 sollte das Defizit 1,4 Billionen Peseten (rund 22 Milliarden Mark) betragen, bis Ende Juni waren es aber bereits 1,2 Billionen.

Deshalb mußte Wirtschaftsminister Carlos Solchaga jetzt die Notbremse ziehen. Ein Sparpaket mit einem Volumen von 326 Milliarden Peseten (5,1 Milliarden Mark) soll das sich rasant ausweitende Haushaltsdefizit etwas mildern, bevor 1993 ein Sparhaushalt in Kraft tritt. Die Anhebung der Mehrwertsteuer ab August von 13 auf 15 Prozent, die eigentlich erst 1993 anstand, sowie die Erhöhung der Lohn- und Einkommenssteuer um ein bis drei Prozent haben Gewerkschafts-Proteste ausgelöst.

Der Chef der sozialistischen UGT, Nicolas Redondo, bezeichnete das Paket als „Irrtum“, weil die Beschneidung der Realeinkommen die Nachfrage und damit die ohnehin schleppende Konjunktur weiter bremse. Er hätte sich gewünscht, daß „nicht immer dieselben Leute Opfer bringen müssen“. Statt dessen sollten die Unternehmereinkommen stärker besteuert werden und der Staat mehr Mittel einsetzen, um der Steuerhinterzieher habhaft zu werden. Die „Schattenwirtschaft“ wird in Spanien auf mindestens 20 Prozent des Bruttosozialprodukts geschätzt.

Unzufrieden sind auch die Unternehmer. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes CEOE, Jose Maria Cuevas, hatte eine „Schocktherapie“ gefordert, um die „wachsende Demoralisierung der Unternehmerschaft“ zu beenden. Er verlangte drastische Kürzungen der öffentlichen Ausgaben sowie Erleichterungen für die Unternehmer. Kritik kam auch von der konservativen Opposition. Die Volkspartei verglich die Maßnahmen mit dem Versuch, „einen Hirntumor mit einer Kopfschmerztablette heilen zu wollen“.

Spaniens Jubelprojekte haben aber nicht allein Schuld an den roten Haushaltszahlen. Die Konjunktur unter dem Einfluß der schwachen Weltwirtschaft trug mit dazu bei, daß die Prognosen für 1992 über den Haufen geworfen wurden. Die Wirtschaft wird anstatt um drei nur um knapp zwei Prozent wachsen. Trotz der Talfahrt der Konjunktur hat der Preisdruck nicht nachgelassen. Das Planziel von fünf Prozent wurde jetzt auf sieben Prozent revidiert. So werden die Zinsen hoch bleiben.

Der Tritt auf die Bremse bringt zudem das Zahlengebäude ins Wanken, das Solchaga zur Erfüllung der Maastricht-Verträge gebaut hat. Allerdings war die Planung in Brüssel ohnehin als „sehr ehrgeizig“ betrachtet worden. Der Minister hält offiziell an seinem „Konvergenzplan“ fest, der Spanien in die EG- Spitzengruppe katapultieren soll und von einem Wachstum von jährlich 3,5 Prozent ausgegangen war. Er räumt aber ein, daß die Spanier nun länger warten müssen, bis ihr Wohlstand EG-Durschnitt erreicht hat.