Folter ist Routine im Lager von Manjaca

■ Serbische Armee hält in Bosnien neben Kriegsgefangenen auch Zivilisten als Geiseln fest

Mit gesenktem Kopf, die Hände hinter ihren Rücken verschränkt, bauten sich die muslimischen Gefangenen vor ihren serbischen Wächtern auf. Einzeln wurden sie auf die Knie gezwungen, kurz darauf alle kahlgeschoren. Etwa 75 Meter entfernt erfolgte ein Befehl, den wir nicht verstanden; aber sofort setzten sich die einzelnen Zwanzigergruppen in Bewegung und verschwanden in ihre nahezu dunklen Unterkünfte. Die Wachen am Eingang der Holzschuppen schwangen ihre Gummiknüppel, signalisierten damit, für eine Abreibung jederzeit bereit zu sein.

Eine Szene des Grauens und Beleg für die menschenverachtende Behandlung, die die allmächtige serbische Armee in Bosnien-Herzegowina den Muslimen und Kroaten zuteil werden läßt in den Territorien, die sie erobert. Die serbische Armee bezeichnet Manjaca als Kriegsgefangenenlager. Aber in den Schuppen, zu denen keiner Zutritt hat, sind Schläge und Folter Bestandteil des Regimes. Das berichteten vor kurzem von dort entlassene Gefangene. Mindestens drei Lagerinsassen seien in den letzten vier Wochen gestorben, geschlafen werde auf Steinfußböden, eine Decke für vier Männer. Zu acht lebten sie in einem Raum nicht größer als eine Pferdebox. Duschen könnten sich die Gefangenen alle zwei Wochen, die meisten von ihnen trügen immer noch die Kleider, in denen sie vor sechs Wochen in Manjaca angekommen waren.

Anlaß für den ersten Besuch eines westlichen Reporters in diesem Lager war eine Inspektion durch das Internationale Rote Kreuz. „Wir haben nichts zu verbergen“, erzählte Oberst Milutin Vuketic, der stellvertretende Kommandeur der serbischen Streitkräfte in der Kraijina, im angrenzenden Hauptquartier, wo er die Rote-Kreuz-Vertreter eine Weile warten ließ. Eine Besichtigung des Lagers lehnte er ab, statt dessen bot er an, mit sieben handverlesenen Gefangenen und einem Arzt zu sprechen. Schwerbewaffnete Soldaten waren bei jedem einzelnen Gespräch dabei, befragt wurden die Männer von Armeeangehörigen, ein Armeefernsehteam nam die Szene auf. Keiner der unter diesen äußeren Umständen Befragten kritisierte das Lagerleben. Aber aus Gesprächen mit ehemaligen Insassen in der Umgebung stellte sich heraus, daß Schläge zur täglichen Routine im Lager von Manjaca gehören.

Die sieben ausgewählten Gefangenen wurden in Formation zu einem kleinen Platz gebracht, alle in Uniform. Sie trugen aber alle die Schuhe, in denen sie gekommen waren. Sie sahen blaß aus, verwirrt. „Die Situation hier ist in Ordnung“, beteuerte V. einer der Gefangenen, während ein Soldat seine Worte notierte. „Es gibt zu essen, und wir haben eine Unterkunft. Es geht uns gut.“ Augenzeugen im bosnischen Banja Luka berichten aber von Exekutionen, Massendeportationen und einem Hungerregime. Manjaca wird von der serbischen Armee unterhalten. Die Führer der muslimischen Partei in Banja Luka sprechen von einem „vorbildlichen“ Lager im Vergleich mit den alptraumartigen Berichten, die ihnen über die Lager im Norden Bosniens zu Ohren gekommen sind. Das Lager von Manjaca liegt etwa 25 km von Banja Luka entfernt, der zweitgrößten Stadt der neuen Republik und wichtigster Stützpunkt der Serbien in Bosnien. Knapp unterhalb des Lagers befindet sich eine Militärbasis mit Panzern und Munition. Hinter Stacheldraht und frisch ausgehobenen Minenfeldern leben mehrere hundert Mann bewaffneter Polizei und Wachpersonal für die schätzungsweise 3.000 Gefangenen des Lagers. Als die Delegation des Roten Kreuzes eintraf, errichteten die Gefangenen gerade neue Stacheldrahtabsperrungen.

Ungewiß ist, ob es sich bei diesen Lagerinsassen tatsächlich um Kriegsgefangene handelt. Denn die meisten Befragten erzählen, sie hätten nicht mal zu den Waffen gegriffen, als die Serben ihre Stadt überfielen. Zwei der sieben für die Interviews ausgewählten Lagerinsassen berichteten, ihnen sei nicht ganz klar gewesen, weshalb sie deportiert worden seien, zwei weitere erklärten, sie hätten registrierte Waffen besessen, die sie aber den serbischen Erobereren ausgehändigt hätten. S., ein Kroate, sagte, er sei gefangengenommen worden, als er, unbewaffnet, die Verteidiger seiner Stadt Mile kod Jelice mit Nahrung habe versorgen wollen.

Ehemalige Gefangene des Lagers Manjaca, die erst letzte Woche freikamen, bestätigten die Vermutung, daß nur wenige Lagerinsassen tatsächlich an Kämpfen gegen die Serben beteiligt waren. Naheliegender ist, daß das Lager einem ganz anderen Ziel dient: zur Geiselhaltung für einen geplanten Gefangenenaustausch. Der Bürgermeister von Banja Luka, Radic, sagte, die Serben hätten angeboten, Manjaca-Gefangene gegen serbische Kriegsgefangene auszutauschen, die von Kroaten und Muslimen festgehalten würden.

Sollten das aber keine Kämpfer gewesen sein, ist die grausame Behandlung der Verschleppten während des Transports und im Lager unerklärlich. „Achtzehn Menschen sind unterwegs gestorben“, erzählte S., ein 17jähriger Muslime aus Kljuc. Kämpfe habe es auch in Kljuc nicht gegeben. Am 27. Mai war er zusammen mit seinem Vater und mit 150 anderen Dorfbewohnern in einen Laster zusammengepfercht worden. „Bei unserer Ankunft in Manjaca sah ich dann diesen Haufen toter Körper; sie waren erstickt, man konnte in dem abgeriegelten Wagen ja kaum atmen.“ Roy Gutman (wps), Manjaca