Hamburger entdecken ihr Herz für Bosnier

■ Bei der AG Flüchtlingshilfe stapeln sich die Hilfsangebote für das offizielle Flüchtlingskontingent/Für andere werden die Probleme nicht weniger: SAGA soll Kroaten mit Kündigung gedroht haben...

Wende? Über ein Jahr nach Beginn des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien, einem Jahr in dem Flüchtlinge eher als Asylmißbraucher wahrgenommen wurden, entdecken die Hamburger ihr Herz für notleidende Menschen aus Bürgerkriegsgebieten. Genauer, für jene 130 oder 140 bosnischen Flüchtlinge, die am Wochenende, vielleicht auch erst am Montag an der Elbe ankommen werden. Die Hilfsangebote stapeln sich bei der AG Flüchtlingshilfe, die Telefone stehen nicht still. „Wann kommen sie?“ „Wir haben noch ein Zimmer.“ „Was können wir tun?“

Auch in der Sozialbehörde klingeln die Telefone unaufhörlich. „Es ist abenteuerlich, was hier abläuft“, berichtet Pressesprecherin Brigitte Eberle. Die meisten Anrufer wollen Kinder bei sich aufnehmen, wenn möglich gleich adoptieren. „Dabei glauben wir gar nicht, daß wir Waisenkinder kriegen.“ Eberle verweist die Anrufer an die AG Flüchtlingshilfe, zu der sich Caritas und Arbeiterwohlfahrt im Juni zusammengeschlossen haben und die sich um

1die Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien kümmern. Bisher, kaum beachtet, um jene Tausende, die es so schwer hatten, überhaupt herzukommen, die mühsam einen Unterbringungsbescheid ergattern mußten, um ein Visum zu bekommen. Jetzt, im Rampenlicht, um die 130 Hamburger Quotenflüchtlinge, die ohne Visum kommen dürfen und die zunächst in 45 Wohnwagen in Poppenbüttel untergebracht werden sollen. Für sie wird es wohl etwas leichter sein in Hamburg, glauben Harald Iwaszkiewicz und Michael Golombek von der AG Flüchtlingshilfe ebenso wie Brigitte Eberle: „Die werden einfach besser behandelt.“

Probleme bekommen jetzt vor allem diejenigen, die schon länger hier sind, die in beengten Verhältnissen bei Verwandten untergekommen sind. Bosnier, die jetzt täglich kommen, nicht im Zug der Bundesregierung, ohne Empfang auf dem Bahnhof. Und Kroaten. 3000 sind schon da. Sie haben die Behörden-Hürden überwunden und stehen jetzt vor neuen.

1Zum Beispiel vor solchen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA. Harald Iwaszkiewicz berichtete gestern von Fällen, in denen die SAGA Mietern, die ihre kroatischen Landsleute bei sich aufgenommen haben, mehr oder weniger unverhohlen mit Kündigung gedroht haben soll. Die SAGA will nach Angaben Iwaszkiewicz' nicht länger dulden, daß Wohnungen, „die an eine dreiköpfige Familie vermietet wurde, jetzt von 10 oder 12 Menschen bewohnt werden.“ Entweder ihr geht, soll es geheißen haben, oder eure Verwandten. Entsprechende Klagen würden sich auf seinem Schreibtisch stapeln.

Unterkunftsprobleme haben die 130 Neuankömmlingen erst mal nicht. Für drei Monate sind die Wohnwagen zunächst angemietet, Angebote von Hamburgern, die ein Zimmer abgeben wollen, häufen sich. Was dagegen mit jenen Flüchtlingen ist, die nicht in das Kontingent gelangen und später kommen, ist unklar. „Da weiß kein Mensch, was mit denen passiert“, sagt Brigitte Eberle und hat dabei

1vielleicht Helmut Kohls Worte im Ohr, der gestern verkündete, daß 5000 Flüchtlinge erst mal genügen.

Da ist Rupert Neudeck vom Komitee Cap Anamur ganz anderer Meinung. „Wir wollen die magische Zahl 5000 durchbrechen.“ Mit der Cap Anamur XI (bürgerlicher Name: Svendborg Globe, gechartert von einer dänischen Reederei), die heute vom Hamburger Hafen in Richtung Adria aufbricht. 500 Flüchtlinge sollen mit ihr aus der kroatischen Hafenstadt Split nach Deutschland gebracht werden. „Das einzige Schiff“, so Neudeck,

1„das ohne Bundestagsdebatte in die Adria fährt — und das wirklich was tut.“ Wo die Flüchtlinge letztlich landen werden, weiß Neudeck noch nicht. Vielleicht in Berlin, vielleicht in Schleswig-Holstein. In Hamburg hat Neudeck noch nicht angefragt. Henning Voscherau habe schon auf seine letzten beiden Briefe nicht mehr geantwortet.

Nach dem Adria-Trip soll die Svendborg Globe Flüchtlinge aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Somalia retten. „Das wird viel schwerer, die hier unterzubringen,“ vermutet Neudeck. Uli Exner