„Hier ist der Verkehr halb so schlimm wie anderswo“

■ Interview mit dem Leiter der neuen Abteilung Verkehr beim Bausenator / Für flächendeckendes „Tempo 30“

Seit Mittwoch hat Bremen eine Abteilung im Bauressort, die den gesamten innerörtlichen Verkehr koordinieren, planen und lenken soll. Ihr Leiter, Baudirektor Gerd-Axel Ahrens, kann unbelastet von Bremer Altlasten an die Arbeit gehen. Der neue Chef der beiden bislang schwer verfeindeten Verkehrslenker, Klaus Hinte aus dem Stadtamt und Horst Bullermann vom Amt für Straßen- und Brückenbau, ist erst im Juni letzten Jahres vom Berliner Umweltbundesamt nach Bremen gekommen. Er hat in Braunschweig und Pittsburgh, USA, studiert und war zwei Jahre als Verkehrsberater in Wien tätig.

taz: Sie sind als Leiter der neuen Verkehrsabteilung quasi der direkte Nachfolger von Bürgermeister Wedemeier, der vor der Wahl alle Bremer Verkehrsprobleme im Rathaus lösen wollte. Welche Probleme, die er Ihnen hinterlassen hat, sind die Vordringlichsten?

Gerd-Axel Ahrens: Ich würde nicht sagen, daß ich der direkte Nachfolger des Bürgermeisters bin, sondern glücklicherweise haben wir es geschafft, die Verkehrskompetenzen in Bremen jetzt weitestgehend beim Bausenator zu konzertrieren. Die wichtigsten Aufgaben hängen im Tagesgeschäft vor allem mit dem schlechten Zustand des Bremer Straßennetzes zusammen. Die Substanzerhaltung ist mit sehr viel Arbeit verbunden und wichtiger als all die vielen neuen Investitionen und Projekte, die wir uns natürlich auch auf die Fahnen geschrieben haben.

Man könnte sogar die These wagen, daß sich bestimmte Dinge in Bremen durch Versäumnisse in der Vergangenheit günstiger entwickelt haben als in anderen Städten. Zum Beispiel haben wir in Bremen nur einen Autobenutzeranteil von 40 Prozent. Im Ruhrgebiet, wo man den Straßenbau sehr weit getrieben hat, hat man damit natürlich auch die Autobenutzung gefördert, so daß sie heute um 10 Prozentpunkte über der Bremer liegt. Trotz besserer Straßen hat man dann mit mehr Verkehr die gleichen Stauprobleme.

Das klingt so, als könnte Bremen mit seiner heutigen Verkehrssituation eigentlich ganz zufrieden sein. Aber ist nicht in Bremen das Problem besonders ausgeprägt, daß Straßenbauten wie der Hemelinger Tunnel oder die GVZ-Anbindung seit zehn Jahren verschleppt und damit jetzt zum fast unlösbaren Problem werden?

Das ist eher typisch für Großstädte. Die Bremer beklagen sich natürlich wie in allen Großstädten über miserable Verkehrszustände. Dabei übersehen sie aber, daß es in anderen Großstädten viel, viel schlimmer ist. Es gibt keine vergleichbare Großstadt, in der man wie in Bremen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 20 km/h in der Stadt verkehren kann. Es gibt kaum eine Großstadt, in der Straßenbahnen im Fünf-Minuten-Takt fahren. In Bremen sind die Straßenbahnen auch nicht überfüllt

Bitte den schmunzenden Herrn

Verkehrsplaner AhrensFoto: Tristann Vankann

wie andernorts. Man kommt in Bremen relativ gut hin und her, das zeigen alle Untersuchungen.

Wenn ich Wirtschaftssenator oder Handelskammer wäre, würde ich mich hinstellen und sagen: Liebe Investoren, schaut nach Bremen. Hier ist das mit dem Verkehr nur halb so schlimm wie anderswo. Das sind doch günstige Standortbedingungen.

Allgemein mag das ja stimmen. Aber ganz konkret stauen sich die LKW's auf dem Weg zum GVZ oder zu Mercedes jeden Tag mitten in Wohngebieten.

Das sind Bremensien. Und die führe ich auch darauf zurück, daß in einer Stadt, die gleichzeitig Bundesland ist, die Landespolitik sich doch auf der Ebene der Kommunalpolitik abspielt. Ich bin zwar noch guter Dinge, daß wir unsere Verkehrsplanung da auch konzeptionell ansetzen können. Ich weiß aber, daß doch bei kon

kret anstehenden Entscheidungen unter dem Einfluß von Beiräten, die ja vor allem örtliche Interessen vertreten, die ganzheitlichen, konzeptionellen Lösungen nicht immer konsequent umgesetzt werden können. Der Hemelinger Tunnel ist dafür ein Beispiel.

Sie glauben, Bremen könnte es durchaus vertragen, noch einmal drei Jahre mit der Lösung der alten Probleme zu warten, bis alles noch einmal gründlich und umfassend analysiert und geplant ist?

Nein, wir wollen dieses konzeptionelle Instrumentarium nicht schaffen, um damit Einzelmaßnahmen zu empfehlen, sondern um in Zukunft die erforderlichen Einzelmaßnahmen konzeptionell besser einzubinden, Nebenwirkungen zu vermeiden und den Umsetzungsprozeß transparenter werden zu lassen.

Wir sind mit der integrativen Verkehrsplanung inzwischen so weit, daß wir den Bremer Verkehr im Computer durchspielen und alle Alternativen simulieren können. Damit können wir auch schon konzeptionell eingebundene Einzelentscheidungen treffen, bevor das ganze Konzept fertig ist.

Was heißt das konkret?

Zum Beispiel sind im Spätherbst Grundsatzentscheidungen zu erwarten, wie mit den Verkehrsproblemen im Bremer Osten umgegangen werden soll.

Sind Sie überhaupt in der Lage, diese Abstimmungsverfahren mit 22 Bremer Beiräten, die inzwischen alle Kompetenz im Verkehrsbereich für sich reklamieren, durchzuführen?

Im Moment ist der Bausenator dazu nicht in der Lage, weil die Verkehrsabteilung erst im Aufbau begriffen ist. Das sind im Moment erst zwei Fachleute, die allein die Post kaum bewältigen können. Aber wir hoffen, daß wir zur Jahreswende ausreichend ausgestattet sind.

Ein gutes Beispiel ist die Umsetzung des Tempo-30-Konzeptes. Das scheiterte — und da waren die Beiräte auch sehr zornig — bislang an den personellen Voraussetzungen im Stadtamt. Wir haben jetzt dafür gesorgt, daß wir über die Beauftragung einer Fremdfirma diesen Engpaß bis Weihnachten überwinden.

Sie sind viel herumgekommen in der Welt. Haben sie Ideen mitgebracht, die es sich lohnen würde, in Bremen einmal konkret auszuprobieren?

Schillernde Ideen gibt es überall. Ich denke da natürlich zunächst an die Städte, in denen man mit der Vekehrsberuhigung sehr konkret vorangekommen ist. Das setzt natürlich voraus, daß man „Tempo 30“ nicht nur dort umsetzt, wo die Straßen auch dafür umgebaut werden, sondern flächendeckend. Daß in Tempo-30-Zonen „Rechts vor Links“ gilt, werden Bremer Autofahrer genauso wie die in Hannover auch lernen, ohne daß wir jede Kreuzung gleich mit Baumnasen sichern müssen.

Dann gibt es die technischen Leit- und Informationssysteme. Da hoffe ich, daß wir auch in Bremen ein bißchen innovativer daran partizipieren, indem wir das nicht nur autofahrerorientiert machen, sondern integrierte Ansätze entwickeln. So müßte das heutige Parkleitsystem zum Beispiel in ein Parkreservierungssystem überführt werden. Es dürfte nur noch in die Innenstadt hereinfahren, wer dort auch einen Parkplatz gebucht hat. Dann gäbe es keinen Parkplatz-Suchverkehr mehr; das wäre auch schon ein Schritt nach vorne.

Gibt es so etwas schon?

Daran wird im Rahmen der EG gearbeitet. Wir haben auch versucht, EG-Mittel für ein Modellvorhaben nach Bremen zu ziehen. Der erste Anlauf ist leider gescheitert, aber ich bin guter Dinge, daß wir so etwas noch einmal angehen können.

Fragen: Dirk Asendorpf