Privat-TV im alten Schünemann-Haus

■ Im alten Druckhaus der „Bremer Nachrichten“ wird für die Privaten gefilmt

Da im dritten Stock war die Setzerei“, sagt der Hausmeister des alten Schünemann-Hauses an der Schlachte, „im fünften Stock unter dem Dach das Papierlager“. Wo bis Anfang der 70er Jahre als unabhängige Lokalzeitung die „Bremer Nachrichten“ produziert wurden, entsteht seit 1989 ein modernes Medienzentrum: Tele-Bremen, Telestudio, FF-aktuell, Spectrum-TV heißen die Firmennamen, hier wird für SAT1, für Tele 5, für die „Deutsche Welle“ (ehemals Rias-TV) und auch mal für ARD-Anstalten gearbeitet.

Angefangen hat die kommerzielle Fernseh-Produktion mit der Lizenzvergabe an den Privatsender SAT1 1989. Die Bremer Landesmediensanstalt verpflichtete SAT1 damals zur Produktion in Bremen, die Fernseh-Tochter des Holtzbrink-Medienkonzerns gründete in Bremen eine Firma für Wissenschafts-Filme (“Spektrum-TV“) und beteiligte sich an der Produktionsfirma „Telestudio“. Im Hintergrund sicherte das „Bremer Institut Film/Fernsehen“ (BIFF) die bremischen Interessen.

Im ersten Jahr wurden in Bremen die 7minütigen „Teletips“ (Umwelt, Wissen etc) für SAT1 produziert. In diesem Jahr ist das Bremer Fernsehstudio insbesondere mit einer regelmäßigen 25minütigen Umwelt-Reportage unter dem Titel „Fünf vor 12“, zeitweise moderiert von Petra Kelly, dabei. Und für den Kultursender 3SAT produziert das Bremer Studio unter Claus-Dieter Clörs, inzwischen zur „Tele-Bremen“ (mit 50 Prozent Beteiligung der Eulerschen „BIFF-Beteili

Privates Fernsehzentrum im alten Schünemann-Haus an der Schlachte Foto: Tristan Vankann

gungsgesellschaft“) verschmolzen, das Magazin „HiTec“ sowie die Filmbeiträge von „Wissenschaft im Kreuzverhör“.

Wenn am 1. Januar 1993 der „Westschinen“-Privatsender „VOX“ auf Sendung geht, dann ist Tele-Bremen jeden Samstag zwischen 17 und 18 Uhr programmverantwortlich — „Werbung und Nachrichten abgezogen sind das 38 Minuten netto“, sagt Euler stolz. Das ist vertraglich festgelegt, Bremen ist einer der Lizenzgeber der „Westschine“ und hat deshalb die Lizenz nur befristet an RTLplus vergeben. Falls nicht eine neue terrestrische Frequenz gefunden wird, fliegt RTL nächstes Jahr raus und VOX kommt... Daß VOX auf Sendung

geht und Erfolg haben wird, da ist sich Euler sicher, weil hinter VOX ein Medienriese steht: „Bertelsmann muß daraus einen Erfolg machen.“

Im renovierten und ausgebauten fünften Stock des Schünemann-Hauses, wo früher das Papierlager war, ist im vergangenen Jahr eine andere BIFF-Tochter eingezogen, die „FF-Aktuell“. Als zum Höhepunkt der Stasi-Debatte um den brandenburgischen Ministerpräsidenten der Manfred Stolpe leibhaftig in Bremen war, da machte „FF-Aktuell“-Chef Hans-Peter Labonte gleich drei Interviews: eines für SAT1, eines für Pro7, eines für Tele 5. Zwar ist derartige Mehrfach-Verwertung die Ausnahme, „FF-Aktu

ell“ bedient aber alle Privaten, die ein paar Sekunden Bilder und Text aus dem Nordwesten wollen. Auch ARD-Anstalten wie der WDR „kaufen“ bei Labonte ein. Den Anschluß der Bremer Schlachte an die große Fernseh- Welt garantiert ein einfaches Telefon: über Glasfaserkabel lassen sich Fernsehbeiträge wie Telefongespräche versenden.

Fünf fest Angestellte und eine Menge von „Freien“ versuchen, mit privatwirtschaftlicher Effektivität und knappen Finanzmitteln dem Regional-Monopol von Buten&Binnen Konkurrenz zu machen: Vom 3.August wird „FF- Aktuell“ jeden Tag ca. 5 Minuten für das Magazin „Wir in Niedersachsen“ produzieren. K.W.