Herrscher und Beherrschte

■ Rosa Monteros Roman „Geliebter Gebieter“

Es ist schmerzhaft, abzudanken, wenn man ein Star war und keiner mehr ist. Und es ist unerträglich, ausgerechnet die auf der Rennbahn der Karriere an sich vorbeiziehen lassen zu müssen, denen man selber in den Sattel geholfen hat.

Cesar Miranda ist einer von diesen Ex-Stars. Einst Art-director einer Madrider Werbeagentur, jetzt ausgebrannt und zum simplen Mitarbeiter degradiert. Seine Mutter ist gestorben, von seiner Freundin wurde er verlassen, und er schafft es nur noch mit größter Mühe, aus dem Bett zu steigen, seiner „weißen Rüstung gegen die Welt“. Was hat er vom Leben noch zu erwarten? Von allen verfolgt, von allen betrogen, verschanzt sich Cesar in seiner Wohnung — und hinter seinem Selbstmitleid, das nicht selten im großen Pathos endet.

Was sich am Anfang noch wie ein fesselndes Psychogramm eines alternden Ex-Managers liest, verliert nach vierzig Seiten an Spannung: Zur Genüge ist der Leser mit Cesars Gefühlen vertraut. Die Welt hat sich gegen ihn verschworen, Cesar ist ein armes Schwein. Und man könnte das Buch getrost aus der Hand legen, würde nicht Rosa Montero plötzlich die Perspektive ändern.

Bisher kennt der Leser ausschließlich die Nahaufnahme Cesars. Doch jetzt nimmt Montero die Scheuklappen weg und siehe da: Cesar ist nicht das einzige „Opfer“ der schlechten Welt. Alle, die ihn mißhandeln, werden selbst mißhandelt, gibt es doch immer welche, die auf der Leiter schon eine Sprosse höher geklettert sind. Die Täter sind Opfer, die Opfer sind Täter. Ein bekanntes Spiel.

Doch Montero geht weiter: Wenn es nun einmal so ist, daß es Hierarchien gibt und somit immer ein Unten und ein Oben, müssen wir dann auch noch die lieben, die uns beherrschen?

In den Augen Monteros ist jeder von uns „Sklave des Absurden“ — passiv und lenkbar. Jeder reagiert auf den Druck von Mächtigeren wie ein winselnder Hund, der auch noch „die Hand leckt, die ihn schlägt“. Geliebter Gebieter. Doch nimmt Cesar, nehmen die anderen, nehmen wir überhaupt wahr, in welchem System wir uns bewegen?

Licht ist ein ständig wiederkehrendes Symbol in Monteros Roman. Die „zersetzende Sonne“, die „ungeheure Lichtmenge“, die „mutlose Glühbirne“ — alles Gradangaben auf dem Thermometer der Erkenntnis. Wenn die Sonnenstrahlen auf Cesars Netzhaut brennen, so liegt doch seine eigentliche Qual in der Erkenntnis seiner Einsamkeit.

Am Ende des Romans wird Cesar vor die Wahl gestellt, ob er aussteigen will (Entlassung), oder ob er im System bleiben will (dafür müßte er dann allerdings seine Kollegin und Geliebte denunzieren). Er bleibt. Geliebter Gebieter. — Rosa Montero schreibt engagiert und emotionsgeladen. Sie verknüpft Handlung und Gedanken zu einem unzertrennbaren Netz. Abgrenzungen verschwimmen. Nicht immer ist klar, ob es wirklich Cesars Gedanken sind oder vielmehr die der Erzählerin. Die Grundhaltung ist leidend, destruktiv und doch an einigen Stellen leidenschaftlich aufbegehrend. Und wäre da nicht manchmal ein wenig zu viel Pathos, könnte man der Sprache sogar eine große Suggestivkraft zugestehen.

Es läßt sich nicht überlesen, daß „Geliebter Gebieter“ von einer Frau geschrieben wurde. Zu oft nimmt Cesar feminine Züge an. Es ist erstaunlich bis unglaubwürdig, wie ehrlich Cesar manchmal mit sich umgeht, wie genau er seine Situation analysiert. Oder ist es nur die Autorin, die ihren Helden schonungslos durchschaut? Dann wäre das Licht der Erkenntnis, zumindest für Cesar, auch am Ende des Romans noch nicht hell genug gewesen. Sabine Lange

Rosa Montero: „Geliebter Gebieter“. Aus dem Spanischen von Susanne Ackermann, Peter Hammer Verlag, 1989, 236Seiten, 28DM. Auch suhrkamp tb, 1991, 129Seiten, 10DM.