Jesse Owens als Nazi-Spieleverderber

■ Kleine Geschichte der Olympischen Sommerspiele von Athen 1896 bis Barcelona 1992, TeilIII

Hamburg (dpa) — 1936 erlebte die Welt, wie die Olympischen Spiele zu mißbrauchen sind. Die Nationalsozialisten nutzten das Ereignis zu einem gigantischen Propaganda-Feldzug und scheuten sich nicht, bei der Eröffnungsfeier 3.000 weiße Tauben — seit dem Altertum Symbol des Friedens — starten zu lassen. Der Olympische Fackellauf wurde ins Leben gerufen: Nach der Entzündung des Feuers in Olympia wurde es vom 20.Juli bis zum 1.August 1936 von 3.075 Läufern über 3.075 Kilometer durch sieben Länder ins Berliner Olympiastadion getragen.

Hitler hatte nicht nur militärisch, sondern auch sportlich aufgerüstet: Mit 33 Gold-, 26 Silber- und 30 Bronzemedaillen stellten die Deutschen die stärkste Mannschaft vor den USA. Nicht ins Konzept der rassistischen Führung paßte, daß mit Jesse Owens als vierfachem Sieger ausgerechnet ein Schwarzer zum sportlichen Symbol der Nazi-Olympiade wurde — und das vor laufender Kamera: Das Fernsehen feierte Premiere.

Nur drei Jahre später entfachte Hitler den Zweiten Weltkrieg, die Spiele, 1940 nach Tokio und 1944 nach London vergeben, fielen aus. Erst 1948 traf sich die Jugend der Welt wieder in London. Die „fliegende Hausfrau“ Fanny Blankers- Koen aus den Niederlanden gewann vier Goldmedaillen im Sprint, und für Emil Zatopek wurde London mit Gold und Silber zum Auftakt seiner großen Karriere. Die „Lokomotive aus Prag“ überstrahlte dann die Spiele 1952 in Helsinki, wo der legendäre Paavo Nurmi das Olympische Feuer entzündete. Zatopek gewann dreimal Gold, seine Frau Dana siegte mit dem Speer. Die wieder zugelassenen Deutschen blieben ohne Sieg, die Sowjetunion führte sich mit 22 Goldmedaillen bei Olympia ein.

Die Spiele in Helsinki waren die bisher letzten, die ohne politische Störungen ausgetragen wurden. Fortan beherrschten der Kalte Krieg und der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika die Szene. Zunächst standen die doppelten Deutschen im Mittelpunkt. Am 18.Juni 1955 erkannte das IOC neben dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) der Bundesrepublik auch ein NOK für die DDR an, bestand aber auf einer gesamtdeutschen Mannschaft für 1956.

Diese Sommerspiele fanden zum erstenmal in der südlichen Hemisphäre und erstmals auf zwei Kontinenten statt: in Melbourne und Stockholm, wohin die Reiter wegen der Quarantäne-Vorschriften Australiens ausweichen mußten. Der Siegesritt des verletzten Hans Günter Winkler auf Halla drückte Stockholm seinen Stempel auf, in Melbourne nahm angesichts der Ost- West-Konfrontation alle Welt vor allem Anteil an der Romanze zwischen dem amerikanischen Hammerwerfer Harold Conolly und der tschechoslowakischen Diskuswerferin Olga Fikotova, die beide Gold holten. Der Boxer Wolfgang Behrendt wurde erster Olympiasieger der DDR.

Die XVII. Olympischen Spiele in Rom eröffnete praktisch der Papst: Johannes XXIII. segnete die Teilnehmer — mit 5.348 wurde erstmals die 5.000er-Grenze überschritten — auf dem Petersplatz. Bei den ersten Fernseh-Spielen verfolgte eine faszinierte Welt den Marathon-Sieg des Barfußläufers Abebe Bikila aus Äthiopien: Das schwarze Afrika tauchte auf der olympischen Bühne auf. Wilma Rudolph beherrschte den Frauen-Sprint, der ungarische Säbelfechter Pal Kovacs schloß eine grandiose Serie ab: Seit 1936 wurde er zum fünften Male hintereinander Mannschafts-Olympiasieger. Der dänische Segler Paul Elvström und der schwedische Kanute Gert Fredriksson gewannen zum vierten Mal in Folge (1948-60), ein Kunststück, das nur Diskuswerfer Al Oerter (USA/1956-68) nachmachen konnte. Armin Hary schockte mit seinem Sprintsieg die Amerikaner, das gesamtdeutsche Team — mit den Olympischen Ringen auf der schwarz-rot-goldenen Flagge — sammelte insgesamt 42 Medaillen (12/19/11).

Die ersten Spiele in Asien markierten den Schlußpunkt eines Zwischenspiels: Mit dem Verlöschen des Feuers 1964 in Tokio kam das Ende der gesamtdeutschen Mannschaft, in der Zehnkämpfer Willi Holdorf die überragende Leistung zeigte. Ihren Abschied nahm die sowjetische Turnerin Larissa Latynina, die seit 1956 insgesamt 18 Medaillen (9/5/4) gesammelt hatte und bis heute erfolgreichste Olympionikin der Neuzeit ist. In Mexiko-Stadt marschierten die Deutschen 1968 getrennt, aber noch unter einer Flagge ein. Enriqueta Sotela entfachte als erste Frau das Olympische Feuer. Dünne Luft in der Höhenlage und große Hitze ließen erschreckende Bilder von erschöpften Athleten um die Welt gehen, sorgten aber auch für Fabel- Weltrekorde: Erst 1991 wurden die sensationellen 8,90m von Bob Beamon im Weitsprung übertroffen. Hochspringer Dick Fosbury bot mit dem Flop eine Welt-Sensation. Die politische Demonstration kam von schwarzen Amerikanern, die mit schwarzem Handschuh über der geballten Faust gegen die Rassendiskriminierung in den USA protestierten. Hans-Hermann Mädler

TeilI erschien am 22.Juli, TeilII am 23.Juli, TeilIV folgt morgen.