"Schauerlichster Platz in unserer Stadt"

■ Kunsthaus am Ferdinandstor vor dem Abriß / 1963 von Paul Seitz realisiert / Abriß seit 1978 im Gespräch

am Ferdinandstor vor dem Abriß/ 1963 von Paul Seitz realisiert/Abriß seit 1978 im Gespräch

Sein kurzes Leben währte 29 Jahre und die letzten vierzehn davon wurde es zu Tode geredet: Nächste Woche wird das Kunsthaus abgerissen. Das einzige, von einem Berufsverband der bildenden Künstler selbstverwaltete Haus ist Vergangenheit. Aus der Zeit vom Beginn - 1963 mit einer Cezanne- Ausstellung - bis zum Ende - 1992 mit einer Riesenparty - bleiben Erinnerungen. Die gütige Historie wird einige reichlich lustlose Bilderschauen dazwischen vergessen.

Mit seinem verspäteten Anschluß an den Boom für großangelegte Museumsbauten leistet sich Hamburg als einzige Kommune ein neues Museum nicht zusätzlich, sondern anstelle eines im wesentlichen funktionierenden, wenn auch renovierungsbedürftigen Ensembles, zu errichten. Als „schändlich vernachlässigt“ bezeichnet der Hamburger Kunstgeschichtsprofessor Hermann Hipp Gebäude und Platz. Aber es geht nicht mehr um die Reparatur des von Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi als „schauerlichster Platz unserer Stadt“ empfundenen Ortes, es geht um ein grundsätzlich gewandeltes Verständnis von Architektur und Kunst. Heute trifft die pathosgeladene Ästhetik der letzten Jahrhundertwende weitaus stärker den Geschmack der gesellschaftlichen Eliten als die funktionalen Strukturen der reduzierten zweiten Moderne der Jahrhundertmitte.

Der leichte Skelettbau von Paul Seitz war 1963 so etwas wie ein Meisterwerk der modernen Hamburger Architektur am Ende der Wiederaufbauphase. Diese Einschätzung dokumentiert ein Zitat von Gottfried Sello im Hamburger Abendblatt: „Mit seiner Weite und Harmonie ist dieser Platz ein architektonischer Glanzpunkt im Hamburger Stadtbild. Wenn man bedenkt, daß sich noch vor kurzem auf dem wüsten Gelände ein provisorischer Parkplatz befand, dann

kann man Baudirektor Paul Seitz zu seinem Plan und dieser Ausführung nur beglückwünschen.“

Dagegen bezeichnet der heutige Stararchitekt Oswald Mathias Ungers, der den nun geplanten Neubau des Kunsthauses entwarf, die Bauten Seitz' als zu beseitigende „Zufallsprodukte“. So leichtfertig ging nicht einmal die abrißfreudige Nachkriegszeit mit den Kunstgebäuden um. So hatte Paul Seitz seinerzeit darauf verzichtet, durch Teilabriß die Fassade der alten Kunsthalle der schlichteren Kunstauffassung anzupassen. Auch sind Kunsthaus und Kunstverein nicht zufällig in den Achsen und Maßen auf die alte Kunsthalle und über den Ballindamm auf das Rathaus bezogen. Ein wesentlicher Nachteil der Gebäudegruppe in ihrem Entwurf von März 1959 ist allerdings die ungenutzte Nordwestecke und

die niemals gelöste Isolierung der Garagendecke, der die Gartenanlage samt Wasserbassins schon bald zum Opfer fiel. Daß Leichtigkeit und reichlich Seitenlicht immer weniger zur Kunstpraxis der nächsten Jahrzehnte paßten, ist eine Entwicklung, die hier genauso zu Problemen führte wie beispielsweise bei Mies van der Rohes Glastempel der Nationalgalerie in Berlin.

1987 beantragte die damalige Leiterin des Kunsthauses Petra von der Osten-Sacken, das Gebäude als herausragendes Beispiel der 50-er- Jahre-Architektur unter Denkmalschutz zu stellen. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, die ursprünglich gedachte reizvolle Wirkung eines Skulpturengartens auf der Tiefgarage habe nie funktioniert, zudem sei die Anlage städtebaulich vom Stadtbild abgetrennt. Diese Insellage löst je-

doch auch der jetzige Neubau keineswegs auf.

Doch wer war der heute so ungeliebte Paul Seitz? 1911 in Nürnberg geboren, prägte er ab 1953 als Leiter des Hochbauamts für zehn Jahre wesentlich das Hamburger Stadtbild. Unter seiner Leitung wurde die Universität ausgebaut, er entwarf das Pädagogische Institut und den Philosophenturm. Mit fast allen Neubauten der Universitätsklinik Eppendorf, dem Amerika- Haus in der Tesdorpfstraße, dem Hamburg-Haus in Eimsbüttel und dem Bezirksamt Kümmellstraße hatte er einen stilprägenden Einfluß. Kommunale Bauten der 50er Jahre sollten in betont sachlicher Art den großen Raumbedarf befriedigen. Repräsentation im heroischen Gewand erschien nach den Auswüchsen des dritten Reiches ein für alle Mal der Vergangenheit

anzugehören. Ein Irrtum, wie Paul Seitz noch zu Lebzeiten erfahren mußte. Daß man nicht für die Ewigkeit baut, ist auch eine in der Architektur Gestalt gewordene Überzeugung der damaligen Bauweise, der heute wieder „endgültige“ Formulierungen entgegengesetzt werden. Nach seiner Professur in Berlin, wurde Paul Seitz Geschäftsführer der Neuen Heimat Kommunal in Hamburg. 1971 wandte er sich ganz von der Architektur ab und hinterließ bei seinem Tode 1989 ein umfangreiches plastisches Werk, das der Nachlaßbearbeiter, der Hamburger Kunstgeschichtler Boris Meyn, zur Zeit noch sichtet. Er will in seiner - Ende des Jahres erscheinenden - Werkmonographie Anerkennung für Paul Seitz, ganz in der Tradition des großen Schumacher, einfordern. Hajo Schiff