Werder-Willi: Leibeigener von SAT1?

■ Bundesliga-Millionenschacher: RTL will sich ins Weserstadion klagen

Bitte die Kameras

Hier endet die journalistische Freiheit: Nur wer zahlt soll filmen dürfen.

Wenn der SV Werder am 22. August sein erstes Bundesliga- Heimspiel gegen Leverkusen bestreitet, ist wieder mal mit vielen freien Ränge zu rechnen - den Zugang zum Weserstadion werden sich einige BeobachterInnen aber dennoch nur per Gerichtsbeschluß erkämpfen können: das Fernsehteam vom Kölner Privatsender RTL plus bliebe, ginge es nach Werder-Manager Willi Lemke, draußen vor der Tür.

Im Millionenschacher um die Fußballbundesliga-Übertragungsrechte blieb RTL plus außen vor und pocht nun auf das im Staatsvertrag festgeschriebene Recht der „Kurzberichterstattung“, das da lautet: eineinhalb Minuten nachrichtliche Berichterstattung über öffentlich zugängliche Ereignisse sind für jeden Fernsehveranstalter erlaubt.

Als „Kriegserklärung“ wertete Lemke die Ankündigung des Kölner Privatsenders, nun ungeachtet der Erstübertragungsrechte, die an SAT 1 gingen, noch vor deren Berichterstattung am

frühen Samstag abend die Tore des Tages zu zeigen. Lemkes Reaktion: Wessen Sender nicht ein paar Millionen für die Erst- oder Zweitverwertungsrechte auf den Tisch gelegt hat, der darf gar nicht erst mit der Kamera ins Stadion.

„Wir sind wild entschlossen, unser Recht auf Kurzberichterstattung zu wahren“, meinte gestern RTL-Sportchef Burkhard Weber zur taz, „und das wird letztendlich so aussehen, daß wir dort mit Gerichtsbescheiden auftauchen.“ Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor hatte in der letzten Woche angekündigt, Fernsehteams notfalls mit polizeilicher Unterstützung in die Stadien zu bringen. Das brachte nun Willi Lemke auf die Palme: „Blödsinn. Ich denke nicht eine Sekunde daran, die nicht reinzulassen, wenn sie einen solchen Beschluß in der Tasche haben — die Polizei hat nun wirklich andere Dinge zu tun.“ Aber ohne einen Richter zu bemühen, wird keine RTL-Ka

mera die Pforte des Weserstadions überschreiten.

An diesem Punkt griffen nun die Bremer Grünen ein und versuchten, Willi Lemke wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, der da heißt: Staatsvertrag. Denn auch wenn die Bundesregierung einen Normenkontrollantrag gestellt hat, um die verfassungsrechtliche Gültigkeit dieser Kurzberichterstattungsklausel zu überprüfen, so ist sie geltendes Recht — „und das kann auch von Willi Lemke nicht zur Disposition gestellt werden“, so der medienpolitische Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion, Hermann Kuhn. Lemke vergesse offensichtlich, daß sich das Weser-Stadion im öffentlichen Besitz befinde: „Die nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung sichert auch die Freiheit der Berichterstattung“, so Kuhn.

Das sieht Lemke etwas anders: „Wir haben hier das Recht an unseren Veranstaltungen — also können wir auch bestimmen, wer als erster senden darf.“ Konsequenzen droht er dem aus der Rolle fallenden RTL an: Klagen die Kölner sich ins Stadion, wird es für sie keine Werderaner Studiogäste und schon gar keine Übertragungsrechte für DFB-Pokal- und Europacupspiele mehr geben. Pöh, uns doch egal, schallt es aus Köln: „Die Spieler werden sich hoffentlich keinen Maulkorb verpassen lassen, und die Rechte für die Pokalspiele der nächsten drei Jahre sind bereits unter Dach und Fach“, so RTL-Sportchef Weber. Bravo, werden die Bremer Grünen denken, denn die Medien sollen sich „nicht einschüchtern lassen“, so die Aufforderung. Und: „Mit dem Verkauf der Erstrechte haben sich die Fußballvereine nicht in die Leibeigenschaft eines Privatsenders begeben. Die Angst vor einer möglichen Verärgerung des liquiden Geschäftspartners ist offenbar erstaunlich groß!“

Pikanter Nebeneffekt: Die Erstübertragungsrechte der Bundesliga hatte in den letzten Jahren der Kölner Privatsender RTL. ARD, ZDF und SAT 1 hielten sich an die Verträge und berichteten erst nach der RTL-Sportsendung. Der Werder-Manager zu seiner Einmischung in den Medien-Kampf: „Wir können nicht tatenlos zusehen, wie ein vierter sich nicht an die Spielregeln hält und uns verarscht!“ Abermals schallte ein 'uns doch egal' aus Köln gen Norden: „Die anderen Sender hätten ihre Rechte damals ja auch wahrnehmen können“, sagt Weber. Was Lemke sage, sei ihm wurscht.

Noch eins drauf geben die Grünen: „Überlegenswert“ findet Hermann Kuhn die Überlegungen des NRW-Innenministers Schnoor, die mit Bundesliga- Spielen verbundenen Kosten zumindest teilweise dem DFB in Rechnung zu stellen. Kuhn: „Es kann nicht sein, daß der DFB kassiert und die Kommune draufzahlt.“ Susanne Kaiser