Rennbahn in der Tempo-30-Zone

■ Verkehrsberuhigung hat die Humboldtstraße noch gefährlicher gemacht / Rücknahme geplant

Die Humboldtstraße im Steintor, erst vor einem halben Jahr zur „Tempo-30-Zone“ erklärt und mit Baumnasen und Fahrbahnmarkierungen zur Wohnstraße mit „Rechts-vor-Links-Vorfahrt“ umgebaut, soll wieder zur Viertel-Hauptstraße werden. „Wenn man Mist macht, muß man Mist auch mal zurücknehmen können“, begründete Bremens oberster Verkehrslenker, Klaus Hinte, gestern diese Absicht. Bevor er die „Tempo-30- Schilder“ vor Ort wieder abmontieren läßt, will er nur erst noch die neuesten Unfallzahlen der Polizei abwarten.

„Wir kriegen die Rechts-vor- Links-Regel dort einfach nicht in die Köpfe rein“, hat Hinte festgestellt. Trotz Blinkleuchten, Schlängelfahrbahn und Tempo-30-Schildern nehmen sich die Autos auf der Humboldtstraße einfach wie eh und je das Recht zum Durchbrettern. Einziger Unterschied: Um schnell noch durch einen der künstlichen Engpässe flutschen zu können, wird von den FahrerInnen jetzt gerne noch einmal zusätzlich fest aufs Gaspedal gedrückt, um dann vor dem nächsten Hindernis wieder scharf abzubremsen.

Das Problem in der Humboldtstraße ist kein Einzelfall. Auch in Schwachhausen, Burglesum, Woltmershausen oder Grolland hat Verkehrslenker Hinte ähnliche Erfahrungen gemacht. „Wenn 1.000 Autos pro Stunde geradeaus fahren und sich aus den Nebenstraßen nur fünf Autos einfädeln wollen, dann funktioniert Rechts-vor-Links einfach nicht, da können Sie noch so viele Baumnasen bauen“, weiß er. Sein Vorschlag für die Humboldtstraße wäre deswegen auch auf eine Verengung der gesamten Fahrbahn hinausgelaufen und nicht nur der Kreuzungsbereiche, wie sie letztlich vom Amt für Straßen- und Brückenbau durchgesetzt worden war.

Doch an einen Rückbau der verunglückten Verkehrsberuhigung glaubt Hinte nicht: „Da traut sich keiner ran.“ Er befürchtet im Gegenteil sogar noch weitere überflüssige Ausgaben für Tempo-30-Zonen. „Wer zum Beispiel in den kleinen Straßen zwischen Osterdeich und Steintor über 30 fährt, holt sich sowieso einen Achsbruch. Trotzdem will auch da jeder sein Tempo-30-Schild haben“, stöhnt er.

Insgesamt 1,2 Millionen Mark will Bremen allein für neue Schilder ausgeben. Bei Gesamtmitteln von 2,9 Millionen Mark für die erste Phase der Verkehrsberuhigung bleibt dann für sinnvolle Baumaßnahmen in den Straßen kaum noch Geld übrig. Runde acht Millionen Mark wären dagegen nach Hintes Schätzung erforderlich, um in Bremens Wohnstraßen die Autos durch Umbaumaßnahmen tatsächlich zum Langsamfahren zu zwingen. Hinte: „Und wenn dann gleichzeitig neun Millionen Mark für den Domshof ausgegeben werden, dann kann man schon ein bißchen bitter werden.“

Bernd Gosau, als grünes Mitglied im Beirat Östliche Vorstadt einer der Vorkämpfer für die Verkehrsberuhigung in der Humboldtstraße, will den Mißerfolg allerdings noch nicht akzeptieren: „Das darf auf keinen Fall zurückgenommen werden“, sagte er gestern. An Appelle oder scharfe Geschwindigkeitskontrollen der Polizei glaubt er allerdings nicht. Bleibt nur noch ein Rat: „Wenn den Autofahrern so nicht beizukommen ist, dann muß die Humboldtstraße eben wieder zu einer Allee werden, so wie es sie vor 70 Jahren mit einer ganz engen Fahrbahn in der Mitte gegeben hat.“

Dirk Asendorpf