Ehemalige Staatszirkusse der DDR in der Krise: Elefanten in der Garage

Elefanten in der Garage

Hagen (taz) — Hinter dem Zelt hat sich das kleine Dorf der Artisten aufgebaut. Zwischen Tigern, Bären, Pferden und zahllosem Hausgetier sitzen Trapezkünstler und Clowns, der Dompteur und all die anderen Artisten des Zirkus „Busch-Berolina“ vor ihren Wohnwagen. Zwischendurch wuseln die Zirkusarbeiter, tragen Stangen und Requisiten.

Der Clown Nico zieht bedächtig an seiner Pfeife. Ohne Schminke sieht er sehr viel ernster aus, und sein Aussehen entspricht durchaus der Lage, in der sich der ehemalige Staatszirkus der DDR befindet, der jetzt „Busch-Berolina“ heißt.

Die Künstler warten auf ihre Gage für den Juni. Der Gegenwert der Gage steht unter einem eigenen Zelt: Tara und Indra heißen die beiden Indischen Elefanten. Und an ihrem Zelt steht ein Lastwagen, der nicht die Farben des Zirkus Busch-Berolina trägt. Vor dem Elefantenzelt entspannt sich ein Disput: Sind die Elefanten verkauft worden?

Am Ende der DDR standen drei staatliche Zirkusunternehmen: Aeros, Busch und Berolina. Am Anfang der fünf neuen Bundesländer stand die Treuhand: Aeros wurde liquidiert, Busch und Berolina unter einem Zelt und dem Namen „Busch- Berolina“ vereinigt. Das neue Unternehmen tourte bis zum 10. Mai mit einem klassischen Zirkusprogramm — dann kam für die Artisten die zweite Wende.

Eine Deutsche Mark, das ist mittlerweile der handelsübliche Kurs für Ostunternehmen, die von Westunternehmen gekauft werden sollen. Für diesen Betrag gingen die Besitzrechte an Busch-Berolina auf die „Selekta Zirkus-Entertainment GmbH“ über. Um den Zirkus vor dem beliebten Firmenausschlachten zu schützen, hat die Treuhand nach ihren Angaben eine Sicherung in den Vertrag eingebaut: einen Eigentumsvorbehalt am Zirkus. Die neuen Besitzer durften allerhand mit dem Zirkus anstellen — nur verkaufen durften und dürfen sie ihn nicht.

Was zunächst mit Busch-Berolina angestellt wurde, endete in einer mittleren Katastrophe. Die Selekta bandelte mit den Veranstaltern der Recklinghauser Ruhrfestspiele an. Eine „Buffalo-Bill-Show“ sollte das einst hochsubventionierte Staatsunternehmen ab Ende Mai dieses Jahres in den schwarzen Zahlenbereich bringen. Die Selekta plante dabei immense Produktionskosten ein: 29.000 Mark produzierte der Show- Koloß an täglichen Kosten.

Jürgen Kollatz, jetziger Geschäftsführer von Busch-Berolina, kann diese Zahlen immer noch nicht fassen. „Bei der ,Buffalo-Bill-Show‘ wurde zuviel Geld in die Produktion gesteckt — alleine die Beleuchtungsanlage kostete 5.000 Mark täglich. Das bedeutet, daß zwölf Prozent der Tageseinnahmen nur für die Beleuchtung draufgingen.“

Außerdem taten sich die Zirkusleute schwer mit einem Showkonzept. Da halfen dann auch Kompromisse der Art „mittags Zirkus, abends Buffalo Bill“ nicht weiter. Gleichfalls irritiert vom Programm- Mix waren offensichtlich die Zuschauer: Sie blieben aus. Zudem soll angeblich kein Geld mehr für Werbung im Topf gewesen sein. Die aus diesem Abenteuer resultierenden Schulden belaufen sich nach Angaben des jetzigen Selekta-Mehrheitsgesellschafters Wolfhard Eulenbach auf über eine halbe Million Mark.

Und damit wären wir wieder bei Tara und Indra. Direktor Jochen Fleischmann hatte den Verkauf angeleiert, nicht zuletzt, um die immer wütender werdenden Artisten auszahlen zu können. Das war dann auch seine letzte Aktion beim Zirkus Busch-Berolina. In der letzten Woche wurde er hinausgeworfen, und das neue Management des Zirkus, Jürgen Kollatz und Pascal Raviol, fand folgende Sprachregelung, um den Verkauf der Elefanten rückgängig machen zu können: Fleischmann sei gar nicht ordentlicher Geschäftsführer gewesen und hätte folglich auch gar nicht verkaufen dürfen. Der Verkauf sei zwar in der Diskussion, der Vollzug hingegen noch offen. Fleischmann bestreitet das. Er war Direktor unter der Treuhand, während der „Buffalo-Bill-Show“ nicht, danach wieder und jetzt wieder nicht: Das Personalkarussell dreht sich schnell, und die Antwort auf die Frage, wer hat was zu verantworten, versteckt sich irgendwo in einem Dschungel von Schuldzuweisungen und Andeutungen. Sicher ist nur, daß der Selekta-Produktionschef, der die „Buffalo-Bill“-Kosten maßgeblich zu verantworten hat, nicht mehr unter den Gesellschaftern weilt.

Trotzdem tendiert man im Zirkus Busch-Berolina neuerdings eher in Richtung Hoffen denn in Richtung Bangen. Die zweite Station der Nach-Buffalo-Bill-Ära im nordrhein-westfälischen Hagen war finanziell ein überraschend warmer Regen.

Die Artisten bekamen Anfang der Woche Gage. Und was das Schicksal der beiden Elefanten betrifft: Die Direktion in Person von Jürgen Kollatz hat da ein verschmitztes Lächeln im Gesicht: Noch sind die Elefanten da, und man sei zuversichtlich. Sicher ist, daß in Berlin noch zwei Elefanten sozusagen in der Garage stehen. Ralf Schaepe