PRESS-SCHLAG
: Die aalglatte PR-Truppe

■ Das Schwimmteam der USA, sympathisch und schnell, soll das angeschlagene Image des Landes aufmöbeln

Die Nummer vom Tellerwäscher und dem Millionär zieht längst nicht mehr, das Märchen von den unbegrenzten Möglichkeiten wird vom vielen Erzählen auch nicht realer, sogar der Zigaretten-Cowboy ist nicht mehr das, was er mal war: kein Zweifel, die USA kränkeln. Rassenunruhen, soziale Verelendung und eine handfeste Wirtschaftskrise entstellen wie Pestbeulen das Gesicht des Easy-Living- Giganten. Höchste Zeit also für den Kosmetiker, die Eiterpickel zu kaschieren: mit olympischen Medaillen, die um US-amerikanische Hälse baumeln. So ist die Aufgabe des US-Olympiateams in Barcelona in erster Linie eine nationale: Das Image aufbessern und das Vertrauen in die US-Wirtschaft wieder herstellen, kurz, Kommando Gold.

Zugpferde der „Habt uns wieder lieb“-Kampagne sind natürlich die Dream-Teamer. Die Basketball- Profis um Michael „Air“ Jordan haben bei Olympia keine Gegner. „Wir werden der Welt zeigen, daß die USA das beste Land der Erde sind“, verlautbarte der gut gebriefte Jordan artig. Damit erschöpfte sich allerdings sein nationales Werbe-Engagement, er spart Kräfte für die Sponsoren-Wünsche und spielt Golf.

So müssen eben die Schwimmstars zur Promotion-Aktion ran, wollen die sich doch die in Seoul an die DDR verlorene Vorherrschaft gloriös zurückzuholen. Zudem kennen sie die nationale Order. Am Donnerstag präsentierten sie sich im olympischen Pressezentrum: Strahlend, braungebrannt, bescheiden und doch selbstbewußt, aalglatt und zum Anfassen amerikanisch — eine Vollversammlung von Muttis Lieblingen.

Die Show war perfekt: Unter je einem Coca-Cola-Sonnenschirm saß ein ganz in Stars und Stripes gehüllter Schwimmer am runden Tisch, die Journalisten durften sich wie gute alte Freunde zu Janet Evans oder Tom Jager setzen und in lässiger Atmosphäre Interviews führen, plaudern, sich Autogramme abholen oder einfach gemeinsam Kaugummi kauen. Nach einer Stunde stand fest: Sympathischere Menschen als diese jungen Leute kann es einfach nicht geben, und nur mühsam konnte man den Drang bekämpfen, sofort George Bush anzurufen und ihm zu diesen Kids zu gratulieren. So anständig, so freundschaftlich, so fair, so schön und dann auch noch so schnell, da sieht man das Wirtschaftswunder fast vor sich.

„Geld interessiert mich überhaupt nicht, ich tue einfach das, was mein Vati und mein Trainer mir raten“, schwärmt Everybodies darling, die 16jährige Anita Nall. Im März hat der Shooting-Star der US- Schwimmszene in Indianapolis einen neuen Weltrekord über 200 Meter Brust (2:25.35) aufgestellt hat und wird seitdem von Sponsoren gejagt. Jenny Thompson, die Weltrekordlerin über 100 Meter Freistil, schwimmt „die 50 Meter nur gegen die Zeit, nicht etwa um der sozialistischen Kristin Otto den Rekord zu nehmen“. Cover-Girl Summer Sanders (19) lächelt wie die süßeste Barbie-Puppe, und die Königin Janet Evans (21), die Siegerin von Seoul in 400 Meter Lagen, 400 und 800 Meter Freistil, behauptet standhaft, sich über die junge Konkurrenz im eigenen Lager unbändig zu freuen. „Das Team ist großartig, eine echte Einheit, da steht jeder für jeden ein, und das macht uns so stark“, singt Evans das Lied von der großen amerikanischen Freundschaft.

Ungeheuer lustig gehe es zu in der Mannschaft, der Melvin pfeift dauernd der Summer hinterher, und der 200-Meter-Brustweltrekordler Mike Barrowman hatte — urkomisch — zwei verschiedene Socken an! Ein Riesenjux war es, das Trainingslager in französischen Narbonne. „Vor lauter Spaß vergißt man fast den enormen Erwartungsdruck“, bestätigte Steward ganz im Stil eines dauerglücklichen College-Zöglings. Pablo Morales, zweitschnellster Mensch über 100 Meter Delphin, entschied sich, um die sentimentaleren unter den Berichterstattern zu erreichen, für die Tränendrüse: „Mein Herz dürstet nach der dreijährigen Pause nach einem Wettkampf“, lüftete er mit schmalziger Miene das Geheimnis um sein Comeback. Merke: Die Lust an der Leistung kann ein Amerikaner auf Dauer nicht unterdrücken.

Auch Teamchef Tom Jager nicht, der wie „Charming-Billy“ Matt Biondi zum drittenmal olympisch mitschwimmt. Jager hat die Rolle des naturwüchsigen Camel- Man übernommen. Ob ihm die enge, unklimatisierte Behausung im Olympischen Dorf zusage? „Ich hatte noch nie in meinem Leben eine Klimaanlage. Außerdem sind wir nicht hier, um uns zu beschweren, sondern um zu gewinnen. Und das unter den gegebenen Umständen.“

Nach dieser gestrengen Zurechtweisung beliebte Jager dann doch noch zu scherzen: Seine Antwort auf die Frage, warum er als Sprinter auf die 400-Meter-Distanz gehe: „Wenn du den Nagel nicht mehr triffst, dann nimm einen größeren Hammer.“ Eine Erkenntnis, die in ihrer ergreifenden Schlichtheit eben nur in den USA reifen kann. Michaela Schießl (Barcelona)