GEWOLLT JUVENILER DUKTUS

■ Kreta-Reiseführer im Vergleich

Kreta-Reiseführer im Vergleich

VONTHOMASWINKLER

„Auf Schritt und Tritt trifft man auf Geschichte„; „wohltuende Stille und wunderbare Aussicht„; „schöne Umgebung und freundliche Menschen“. Wer ein Faible für Stereotype hat, ist mit Reiseführern immer gut bedient. Auch die Bücher, die bei einem Urlaub auf Kreta informativ zur Seite stehen sollen, bilden da keine Ausnahme. Es menschelt in einem fort, die Kreter sind dort immerzu „freundliche Improvisationstalente“, die Landschaft ist „karg“ und das Olivenöl „gewöhnungsbedürftig“ für den mitteleuropäischen Gaumen und Magen.

Trotzdem gibt es natürlich erhebliche Unterschiede bei der Angebotspalette, diese sind auch durch die verschiedenen Erwartungen der jeweils anvisierten Zielgruppen erklärbar.

Für Reisende mit dünnerem Geldbeutel gedacht sind vor allem die Bücher von Eberhard Fohrer (im Michael Müller Verlag) und von Klaus Eckhardt. Der Führer von Fohrer ist der mit Abstand umfangreichste der Getesteten. Auf über 600 engbedruckten Seiten mit nur wenigen Fotos wird nahezu jede Häuseransammlung beschrieben und jede zweite Taverne erwähnt. Das führt notgedrungen zu vielen Fehlern, denn kein Führer kann mit dem rasanten Entwicklungstempo des Tourismus mithalten. Aber bei Fohrer kann man sicher sein, daß man — wo immer man sich auch gerade befindet — den einen oder anderen guten Tip findet. Zudem sind seine Beschreibungen von momentanen und Einschätzungen von zukünftigen Zuständen meist treffend, so daß man sich, wenn man die Jahre nicht vergißt, die seit der jeweiligen Auflage vergangen sind, durchaus nach den Empfehlungen richten kann. Ein Knackpunkt ist der historische Teil, der zwar relativ umfangreich ist, aber in seinem gewollt flapsigen Ton öfter mal danebenliegt.

Dieselbe Kreta-Klientel spricht Klaus Eckhardt an ( Reihe „Preiswert Reisen“, Hayit Verlag). Der ist zwar dicker (für Rücksackreisende nicht unwesentlich), hat aber nur gut die Hälfte der Seiten und entsprechend weniger Informationen. Die ja durchaus nicht langweilige Geschichte Kretas wird auf ganzen fünf Seiten abgehandelt, und die Karten sind unübersichtlich und schwer zu finden im Buch verstreut. Vom gleichen Verlag gibt es auch noch ein kleines Handbuch, in dem sich nur das Allernotwendigste findet. Vielleicht noch am ehesten geeignet für den einwöchigen Kurztrip.

Wer weniger am Baden und Essen, sondern an Kultur und Geschichte interessiert ist, sollte sich den „DuMont Kunst-Reiseführer“ holen. Er hat den fundiertesten historischen Teil, die besten Karten und ausführlichsten Museumsbeschreibungen. Der Stil mag manchem zu trocken sein, im Vergleich zur Urlaubsprosa anderer Führer ist er jedoch eine wahre Erholung. Der reisepraktische Anhang ist allerdings ziemlich unbrauchbar, nur die wichtigsten Adressen sind verzeichnet. Der DuMont kann nur Ergänzung zu einem normalen Reiseführer sein oder mit seinen ausführlichen Architekturbeschreibungen und genauen Lageplänen den Alltag des Pauschaltouristen, der sowieso weiß, wo er sein Handtuch ausrollt, kulturhistorisch auflockern. Peinlich ist allerdings, daß das Ende des Geschichtsüberblicks mit dem der türkischen Besetzung 1898 zusammenfällt und der Zweite Weltkrieg und die blutige Unterdrückung durch die deutschen Besatzer nicht der Aufnahme wert waren.

Für Menschen mit Geld und ohne Kamera ist dagegen der „APA- Guide“ nahezu unverzichtbar. Dieser beschränkt sich auf Landschafts- und Ortsbeschreibungen und informative und durchaus lesbar geschriebene Essays zu Geschichte und Kultur. Die Karten sind schlecht bis nicht vorhanden, gleiches gilt für Hotel- und Tavernentips. Selten verläßt die Mannschaft von APA die eingetretenen Pfade, hat aber dafür im Führer so viele und so bunte Fotos versammelt, daß man sich den Urlaub auch gleich sparen kann.

Nicht zu empfehlen sind vor allem die Führer „Kreta — Kultur und Sonne das ganze Jahr“ von Ralph- Raymond Braun und „Kreta auf eigene Faust“ von Bettina Amort & Jens Annuß. Beide sind eher dürftig. Braun versucht zudem den im Titel angedeuteten Spagat zwischen Kultur und Sonne, der ihm gründlich mißlingt. Beides bleibt unvollständig. So findet sich zum Beispiel zum Dorf Kambos die etwas unlogische Information: „Bergdorf mit einigen Privatzimmern, doch ohne Touristen.“ „Auf eigene Faust“ ist ein Alternativführer voller Lücken, mit schlecht reproduzierten Fotos und bestenfalls zur erste Orientierung zu gebrauchen.

Wer weniger am einzelnen Dorf und am billigsten Kafenion interessiert ist, kommt nicht am „Anders Reisen“ vorbei. Immer noch das beste zum vernünftigsten Preis für den, der sich nicht nur Hautkrebs holen, sondern auch etwas Wissen will. Zwar stößt der gewollt juvenile Duktus der AutorInnen Rainer Karbe und Ute Latermann-Pröpper hin und wieder unangenehm auf, aber wo sonst erfährt man, wie die erste kretische Biersorte hieß?

Eberhard Fohrer: „Kreta.“ Verlag Michael Müller, Erlangen/ Ebermannstadt, 613Seiten, 34,80DM.

Klaus Eckhardt: „Preiswert Reisen: Kreta.“ Hayit Verlag, Köln, 290 Seiten, 29,80DM.

Klaus Eckhardt: „Nützliche Reisetips von A-Z.“ Hayit Verlag, Köln.

Klaus Gallas: „Kunst-Reiseführer Kreta.“ DuMont Buchverlag, Köln, 410Seiten, 44DM.

Gerhard Sasse (Hg.): „APA- Guides — Kreta.“ RV Reise- und Verkehrsverlag, München, 280Seiten.

Ralph-Raymond Braun: „Kreta — Kultur und Sonne das ganze Jahr.“ Unterwegsverlag, Singen, 189Seiten, 19,80DM.

Bettina Amort & Jens Annuß: „Kreta auf eigene Faust.“ Conrad Stein Verlag, Kiel, 187Seiten, 19,80DM.

Rainer Karbe & Ute Latermann- Pröpper: „Anders reisen — Kreta.“ rororo Taschenbuch-Verlag, Reinbek, 277Seiten, 16,80DM.