Massenhaftes Vogelsterben durch Killer-Bakterien

Hamburg (taz) — Die Todesqual kündigt sich schleichend an. Zuerst zieht die aufsteigende Lähmung in die Flügel, zwingt die Vögel auf die Erde. Bald danach können sie nicht mehr laufen, robben hilflos über den Strand. Schließlich kippt der Hals vornüber. Auf dem Wasser treibende Tiere ertrinken qualvoll, andere sterben an Herzlähmung. Dieser Tod hat einen Namen: Botulismus. Tausende von Wasservögeln sind in diesem Sommer auf diese Weise ums Leben gekommen. „In allen Teilen der Bundesrepublik kommt es zum Vogelsterben“, weiß Dr. Knut Haarmann von der Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie. Besonders stark betroffen ist derzeit das Hamburger Umland. Rund um den Elbvorort Wedel fand der Deutsche Naturschutzbund bislang 310 verendete Wasservögel. Noch schlimmer sieht es an der Oste-Mündung im Landkreis Stade aus. Dort sammelten die Naturschützer bislang fast 3.000 Kadaver auf.

Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat bislang 420 Botulismus-Opfer in dem Nord-Bundesland gezählt. „Die Zahl der hier tatsächlich verendeten Vögel“, so befürchtet der Artenschutzreferent des Naturschutzbundes, Uwe Westphal, „liegt aber ein Vielfaches über der Zahl der eingesammelten Tiere.“ Auch Holland, Österreich und acht andere europäische Länder melden Tausende von Vogelleichen. Vor allem Enten, Möwen und Wattvögel wie der Kampfläufer und der Rotschenkel verenden in Scharen.

Verursacher des Vogel-Massensterbens ist das Bakterium Clostridium botulinum, daß eines der stärksten bekannten Nervengifte produziert. Der Erreger wird von Würmern und Schnecken aufgenommen— für die er unschädlich ist — und gelangt so schließlich in die Mägen der Wasservögel. Am besten vermehren sich die Bakterien in sauerstofffreien und nährstoffhaltigen Gewässerregionen, die durch die Sonne aufgeheizt wurden.

Nach Westphals Auffassung sind besonders der Eintrag von Gülle und Mineraldüngern, aber auch von ungeklärten Fäkalien für das explosive Wachstum der Killer-Bakterien verantwortlich. Auch der Sprecher des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, Wolfgang Götze, weiß: „Gegen die Krankheit kann nur eine langfristige Verbesserung der Wasserqualität helfen.“ Denn obwohl durch die Sommerhitze in diesem Jahr besonders verbreitet, ist der Botulismus kein neues Phänomen. Bereits zwischen 1982 und 1986 fielen nach Angaben des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums allein in der Elberegion 50.000 Wasservögel den Erregern zum Opfer. Marco Carini