Berlin: Bosnier sollen ins Heim

■ Berliner Senat schlägt Privatunterkünfte für Kriegsflüchtlinge aus/ Auch Mecklenburg-Vorpommern weist private Angebote zurück/ „Aktion Fluchtweg“ wird trotzdem fortgesetzt

Berlin (taz/AFP) — Vorgestern war der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, noch voll des Lobes für die „Aktion Fluchtweg“: Das sei eine „sehr erfreuliche Aktion“. Gestern war seiner Sozialsenatorin Stahmer (SPD) soviel private Hilfsbereitschaft suspekt. Der Berliner Senat will die Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina nicht in den angebotenen Privatunterkünften, sondern in staatlichen Massenunterkünften unterbringen.

Die Begründungen klingen so, als zweifle der Senat an der Zurechnungsfähigkeit der BerlinerInnen. Die private Unterbringung bedeute eine sehr hohe Verantwortung, hieß es aus der Senatspressestelle. Erfahrungen hätten gezeigt, daß private Unterbringungen nach einer gewissen Zeit erhebliche Probleme mit sich brächten, betonte die Sprecherin der Sozialsenatorin, Elke Pohl. Mehr als 300 BerlinerInnen hätten sich bis Freitag gemeldet, um die 110 BosnierInnen aufzunehmen, die in den nächsten Tagen in Berlin eintreffen sollen. Man wolle den BürgerInnen schriftlich für das Angebot danken und ihnen vorschlagen, sich zunächst nur durch Besuchs- und Hilfskontakte zu kümmern. Die Fraktion Bündnis90/Grüne kritisierte die Haltung der Sozialverwaltung als „unwürdig“ und „inhuman“. Ihr Sprecher, Sfefan Noe, sagte, es sei „abenteuerlich und fatal, vor der spontanen Hilfsbereitschaft jetzt bürokratische Hemmnisse aufzubauen“.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern sollen die Flüchtlinge — trotz zahlreicher Anfragen von BürgerInnen — erst dann in Familien untergebracht werden, wenn die staatlichen Kapazitäten nicht mehr ausreichen. Nur wenn es „organisatorisch möglich sei“ wolle man auf die privaten Angebote zurückgreifen, so ein Sprecher des Innenministeriums in Schwerin.

Dennoch läuft die „Aktion Fluchtweg“, die von den Berliner Grünen, der taz und der „Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegung im ehemaligen Jugoslawien“ initiiert wurde, weiter. Weit über 1.000 Privatquartiere haben die Berliner bisher angeboten. Der Aktion haben sich jetzt auch das Neue Forum und die Bundes-Grünen gemeinsam mit allen Landesverbänden angeschlossen. Adressen von BürgerInnen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen wollen, werden jetzt auch bei den Bundes- und Landesgeschäftsstellen der Grünen gesammelt. win

Angebote für Unterkünfte werden unter folgenden Telefonnummern entgegengenommen:

Grüne Berlin: (030)863003-36 von 13 bis 18 Uhr; taz: (030)25902-292 von 9.30 bis 14 Uhr; taz-Hamburg (040)389017-36; Neues Forum: (030)2806481 von 13 bis 19 Uhr; Für das Bundesgebiet außer Berlin: Bund für soziale Verteidigung (0571)29456; Grüne Neumünster: (04321)22680