Daß dem Samurai einer dumm käme

■ Omar der Türsteher leidet ein wenig an der Ruhe, für die er sorgt: Nie was los, oder plötzlich doch? Eine Nacht vor dem „Römer“

Eine laue Sommernacht im Fehrfeld. Ein Mann steht, die Arme über der Brust gekreuzt, neben der Tür des Römer. Ringel- T-Shirt, Lederweste, schwarze Hose, Stiefel. Cool. Omar, der Türsteher. Junge Leute gehen an ihm vorbei, unbehindert, verschwinden hinter der Tür. Manchmal sagt einer Hallo. Gegenüber, auf dem Straßenkantstein, hocken zwei flüsternde Männer, trinken ihr Bier und gucken rüber. Zu Omar, der sich an die Wand zurücklehnt. „Ich hasse es“, sagt er, „wenn die Leute so blöd zu mir rüberglotzen. Warum gehen die nicht rein? Ich lasse doch eh fast jeden durch.“

Heute ist Hardcore-Tag. Drinnen im Römer kracht die Musik, die stickige Luft vibriert, die Tanzfläche ist voll von selbstvergessenen TänzerInnen. Draußen vor der Tür aber herrscht die Stille der Nacht. Die Zeit des Kommens ist schon vorbei, die Zeit des Gehens noch nicht gekommen. Omar geht drei Schritte auf und drei Schritte ab. „Seit sieben Jahren arbeite ich ein- bis zweimal die Woche hier, und es ist immer das selbe. Junkies oder Skinheads kommen ja schon lange nicht mehr. Ich drehe drei Stunden Däumchen. Es ist nie was los.“

Omar ist kein Rausschmeißer. Das erledigen im Notfall die Kollegen hinter der Theke. Er ist Türsteher. Seine Aufgabe ist es, der einzige zu sein, der vor dem Römer steht. „Und wenn es drinnen noch so heiß ist — die Leute dürfen ihr Bier nicht hier draußen trinken. Eh, Leute, sag ich, rein oder raus! Wir haben schon genug Ärger mit den Anwohnern.“

„Mit siebzehn war ich noch anders drauf, brutaler“Zeichnung: Nina Kurth

Die BesucherInnen scheinen sich dran zu halten, jedenfalls in der heutigen Nacht, und so sieht Omar mit seinem hochgebundenen kleinen Haarschopf aus wie ein Samurai, der auf seinen Einsatz wartet.

Er ist nicht groß, aber kräftig. Man spürt, daß er kämpfen könnte, und er sagt es auch:

hierhin bitte

die Zeichnung mit

dem Mann, der sich

an eine Hauswand lehnt

bitte

einen Rahmen

drumrum

ziehen

„Kommt mir jemand dumm, dann schlag ich voll zu.“ — Es kommt aber keiner dumm. Nur ein müder Langhaariger bittet ihn, eine Stunde auf seine leere Fantaflasche aufzupassen: „Da gibt's ja Pfand drauf“. Omar nickt. „Ich hab den Job schon mit siebzehn, achtzehn gemacht. Da war ich noch anders drauf, brutaler. Da hab ich nur gewartet, daß jemand Ärger macht, und dann ging's ab. Jetzt bin ich 24. Da ist das nicht mehr so.“

Oder doch? Ein Uhr zwanzig, ein Mädchen kommt und zupft ihn am Arm: „Bist du hier der Türsteher oder so? Da um die Ecke verkloppt grad ein Typ seine Freundin...“ Omar starrt eine Sekunde vor sich hin, dann sprintet er los. Bei den Mülltonnen stößt ein junger Mann seine Freundin vor sich her: „Du gehst da nicht noch mal rein!“ sagt er mehrmals mit leise erregter Stimme. Omar tippt dem Mann auf die Schulter: „Jetzt ist Schluß, oder ich hau dir so eine...“ Der Mann zögert und läßt die Frau dann los.

Man geht auseinander, und schon steht Omar wieder an der Tür und stützt die Arme auf den Fenstersims. „Streitigkeiten unter Pärchen, das kann ich nicht ab.“ Er lugt durch die heruntergelassenen Jalousien. Zwanzig vor zwei, der Laden ist noch brechend voll. Vier verschwitzte Leute kommen raus und lachen und reden noch

weiter vor der Tür. Omar macht einen Schritt auf sie zu, und ohne Murren verziehen sie sich. Auf der anderen Seite sitzen noch immer die beiden Männer auf dem Kantstein und starren herüber.

„Manchmal wär ich schon ganz gern drinnen. Wir machen zwar keine Gesichtskontrolle, aber wer an der Kasse sitzt, darf bestimmen, wer Eintritt zahlen muß und wer zur Szene gehört. Das ist nicht schlecht. Aber ich würde nie irgendwo als Gesichtskontrolleur arbeiten. Ich käm ja selbst in 80 Prozent der Diskos nicht rein — was mir aber ganz egal ist, ich steh sowieso lieber vor der Tür.“

Kurz nach zwei geht die Tür auf und bleibt jetzt auch offen. Die Musik ist aus. Die Gäste strömen raus, in Paaren und kleinen Gruppen. Omar geht hierhin und dorthin, treibt Pulks auseinander und kommt dann zur Tür zurück: „Gleich wird was passieren!“ — Was? — „Die beiden Glotzer da drüben haben die ganze Zeit auf den Typen mit dem Rennrad gewartet. Das hat der dem einen weggezockt.“

Ein Streit beginnt, nicht laut, aber doch über die Straße zu hören. „Das stand verlassen in einem Hausflur“, sagt der „Zocker“. — „Es ist aber meins“, antwortet der andere. — „Es war doch bloß eine Schrottkiste, ich hab 400 Mark investiert!“ — „Es ist aber meins!“ Wird Omar gebraucht? Nein, es ist wieder nichts Richtiges. Die Polizei kommt, und bald muß der Zocker ohne Fahrrad, nur noch mit dem schweren Ringschloß in der Hand, zu Fuß nach Hause gehen. Die letzten Zuschauer haben sich verzogen. Die Straße liegt still und leer. Feierabend.

Omar ist verschwunden, hinter der schwarzen Tür des „Römer“, die ins Schloß gefallen ist. Oder steht er noch immer davor, die Arme auf der Brust verschränkt, wartend, daß jemand dumm käme? Jemand, der nie kommt. Cornelia Kurth