„Das hat der liebe Gott so gewollt“

■ Bremer Komitee gründete sich mit 40 Gerechten / Klagen über Parteienverdrossenheit

Jetzt hat auch Bremen sein „Komitee für Gerechtigkeit“. Am Samstagabend gründete sich in Bremen der erste dieser politischen Vereine in den alten Bundesländern. Die Bremer Anwältin Rosemarie Sanner hatte den Kontakt schon kurz nach der Gründung der ostdeutschen Sammlungsbewegung den Kontakt zu dem Berliner Gründungskomitee gesucht, um auch in Bremen BürgerInnen für die neue Sammlungsbewegung aufzurufen.

Im noblen Cafe Goedeken in Horn waren BürgerInnen verschiedenster politischer Farben zusammengekommen. Ex- Grüne, drei PDS-Angehörige, jemand vom Bündnis 90, Friedensbewegte, Bürgerinitiativler und ehemalige Parteiaktivisten jeglicher Herkunft, trafen sich um gemeinsam nach politischer Orientierung zu suchen.

Rosemarie Sanner war gemeinsam mit Jens Krönke, Unternehmensberater, früherer DDR- Bürger und lange Zeit CDU- Mann (sowie einziger Krawattenträger der bunten Runde), SprecherIn, und las einige bereits vorformulierte Ideen aus einem Papier vor: Man spricht sich für eine Unterstützung des Gründungsappells vom 11.07. aus, man sehe sich jedoch nicht nur als Solidaritätskomitee der „armen Brüder und Schwestern“ der neuen Bundesländer, sondern wolle eine Bürgerbewegung zur Erneuerung der Politik auch in den alten Ländern einberufen. Es sei zu befürchten, daß eine einseitige Bewegung im Osten eine erneute Spaltung zur Folge hätte. Die Fehler der Politik seien letztlich auch hier zu finden. Und die Parteien würden die Interessen der BürgerInnen nicht mehr erfüllen. Alle seien aufgerufen, zur Lösung der Probleme beizutragen. Den Vorwurf einiger Medien, es würde sich hier um eine kommunistische Verschwörung handeln, wies man mit dem Argument zurück, daß alle außerparlamentarischen Gruppen, wie z.B. AKW- Gegner mit diesem alten Vorwurf der etablierten Parteien konfrontiert wurden. Die Vorwürfe seien ohnehin nicht zu beweisen.

Dann wurde es ernst: Die etwa 40 Anwesenden wurden gebeten, ihre Gründe für ihr Erscheinen darzustellen. Vor laufender Kamera des Bayrischen Rundfunks und von „Elf 99“ verbreitete sich schnell allgemeine Ratlosigkeit. „Man muß etwas tun“, und „der Bürger schreit nach einem neuen Verein“, blieb es eher allgemein, und Irmgard Alfken sagte: „Ich bin nur eine Frau ohne Abitur, und mein Herz schlägt links, das hat der liebe Gott so gewollt. Ich bin dafür, daß jeder was sagen darf. Endlich mal anders als überall.“

„Der Bürger schreit nach einem neuen Verein“

Für die Losung „Ich bin der Meinung, Bürger sind wir alle.“ bekam Jens Krönke allgemeine Zustimmung. Und auch ein weiteres Motiv für die neue Gerechtigkeit war mehrmals zu hören: Die „Parteiverdrossenheit“. Mietnotstand, fehlende Kindergartenplätze, Drogenproblematik, soziale Ungerechtigkeit wurden beklagt, die inhaltliche Diskussion ansonsten jedoch vertagt: „Dieses Gelaber ist nicht nötig“, schimpfte eine. „Das Eigentliche spielt keine Rolle“ klagte ein anderer. Lauter Beifall.

Nach fast 2-stündigem Debattieren machte sich Unmut breit: „Dieses verkorkste Etwas können wir vergessen.“ Doch statt dessen gründete man nach allen Formen der demokratischen Kunst, mit Antrag und Abstimmung und Mehrheitsbeschluß schnell und formlos das „Bremer Komitee für Gerechtigkeit“.

Das nächste Mal treffen sich die KomiteemitgliederInnen am 7. August um 19.00 Uhr in der Villa Ichon (“Dort kostet der Raum nichts.“) Wenn es dort nicht geht, will sich das Häuflein der Bremer Gerechten wieder im Cafe Goedeken versammeln. Vivianne Agena