Nackedudldadls of Swing

■ Volksfest mit den Dire Straits im Stadion auf Deichen und im Schwimmbad

Ein solches Spektakel hat unsere kleine Stadt schon lange nicht mehr erlebt: Tausende tummelten sich am Samstagabend in der Pauliner Marsch, um die englische Rockcombo Dire Straits zu hören. Rund 45.000 waren im Stadion und nicht viel weniger drumherum. Auf den Osterdeichwiesen und im Stadionbad war Volksfeststimmung.

Karawanen von BremerInnen waren angerückt, mit Holzkohlengrills, Kühltaschen und Picknickkörben. Während im Stadion das Volk murrte, weil sich der Beginn des Konzerts um mehr als eine Stunde verzögerte, ließen es sich die Fans draußen wohl sein. Und als dann endlich 'Was (not was)– die Zeit der Konserve beendete, machten sich die Schwarzhörer auf die Suche nach der besten Akustik. Das war diesmal nicht so einfach, denn der Veranstalter hatte, beeindruckt von den Protesten nach dem Auftritt von Elton John, den Lautstärkepegel deutlich abgesenkt. Die wenigen, die am anderen Weserufer ausharrten, hatten wohl mehr das optische Vergnügen an Massen entspannter Bremerinnen am Stadiondeich.

„Bernkasteler Kurfürstlay bei Plaza für vierneunundneunzig“, so ein Familienvater, der mit Frau und Kind und Kegel von der Wiese am Deichschart geflohen war. „Das einzige was man dort gehört hat, war der Bierverkäufer: Zweifuffzich, drin zahlt ihr dreifuffzich.“ Draußen vor den Toren waren beileibe nicht nur die versammelt, die sich keine Karte hatten leisten können. Schwarzhörer — „Was heißt denn hier Schwarzhörer“, meinte ein gutgelaunter Hochschullehrer auf dem Weg zur Südtribüne. „Mir gehts doch nicht ums Geld, ich hab nur keinen Bock auf die Massen. Da bleib ich doch lieber draußen mit netten Leuten und einem guten Fläschle Rotwein.“

Am Deichschart blühte der mobile Kleinhandel: Äpfel für 80 Pfennige mit einem Apfeljongleur als Propagandisten, Dosenbier palettenweise und natürlich Eintrittskarten. In den Anzeigenblättern waren in der vergangenen Wochen noch Karten für 100 Mark angeboten worden, am Samstag gegen sieben wurden die Händler langsam nervös und versuchten, das Ticket zu 60 Mark für 50 loszuwerden. Als dann die Vorgruppe spielte, gab es kein Halten mehr und die Karte für 25 Mark. Sogar an den Kassenhäuschen gab es noch kleinere Kontingente. Einige Händler mußten für ihre Geschäftstüchtigkeit noch büßen: Hin und wieder griff die Gewerbeaufsicht zu und die Händler samt Angebot ab.

Das beste Mithörplätzchen hatten zweifellos die Sanitäter an der Baulücke zwischen Südtribüne und Ostkurve. Aber fast so viel bekam man auch im Stadionbad mit. Dort waren die Pforten bis zum Ende des Konzerts zum Moonlight-Schwimmen geöffnet. „Schikane heute im Preis inbegriffen“, hatten die Kioskbetreiber vorsorglich auf ein Schild geschrieben. Wer um eine Wurst anstand, mußte schon viel Geduld mitbringen, und das Holzfällersteak vom Grill war zwar lecker, aber der besagte Holzfäller mußte aus den japanischen Bonsai-Wäldern gekommen sein. Doch insgesamt hatten Badbesucher die

Taktvolles JonglierenFoto: J.G.

fünf Mark Eintritt gut angelegt. Eine Runde schwimmen und dann in entspannter Atmosphäre den musikalischen Ausfürungen von Herrn Knopfler zu lauschen, das hatte schon was, das schreit geradezu nach Wiederholung. Gegen zehn Uhr gab es dann noch ein

Bitte den Jongleur

echtes Highlight zu bestaunen: Das Nackedudldadl-Weitspringen vom zehn-Meter-Turm, eine Flasche Sekt für den Gewinner.

Unterdessen spielte die Hauptgruppe erfreulicherweise nur wenig neue, aber dafür viele schöne alte Stücke. Bei den Sultans of Swing kochte die Arena und am Deich wippte eine Mutter den Kinderwagen im Takt. Und wer das Glück hatte, von Romeo and Juliett nicht nur Klangfetzen zu hören, dem schmolz das Herz. Entspannung allerorten: „Bei der Musik passiert doch nichts“, meinte ein Roadie. „Bei Heavy Metal schlagen sie sich schon vor dem Konzert auf die Glocke, und bei New Kids on the Block fallen die Mädels reihenweise in Ohnmacht. Da ist was los“, aber bei den Dire Straits schieben alle Ordner eine ruhige Kugel.

Nach Sonnenuntergang wurde es empfindlich kühl und als die Band nach gut eineinhalb Stunden die Zugabe mit Money for Nothing einleitete, zogen die ersten Deichbesucher ab. Da war es viertel nach zehn und nach den ersten Takten blieben die Lautsprecher plötzlich stumm. Hatte da ein Anwohner-Kommando wegen ruhestörendem Lärm die wummernden Aggregate abgeknipst. Nein, nach wenigen Sekunden ging es weiter und nach vier Zugaben war dann Schluß. „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, sang ein Trupp Jungmänner noch, dem Ort des Geschehens angemessen, und die vielen auswärtigen Gäste durften feststellen, daß sie einen wesentlichen Beitrag zur Selbständigkeit Bremens geleistet hatten: Erstens hatten sie die oberzentrale Funktion vielohrig dokumentiert, zweitens fand ein jeder der Falschparker beispielsweise am Osterdeich hinter dem Wischer einen 50 Mark-Bon vor. Für Bremen hat sich das Spektakel gelohnt.

Jochen Grabler