Dem Tacho nach zum Gold

■ Der Straßen-Vierer verursacht mit seinem Erfolg gesamtdeutschen Taumel

Barcelona (dpa) — Nach der Gold- Fahrt folgte der Jubel, und Willi Daume stellte sich dabei an die Spitze. „Ich gehe soweit, diese Goldmedaille als die wichtigste von allen unseren Goldmedaillen zu bezeichnen, die wir gewinnen können“, sagte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) stolz und machte den Wert des ersten deutschen Goldes bei den Olympischen Spielen in Barcelona im Straßen- Mannschaftsrennen deutlich: „Dieser Erfolg ist ein Beweis dafür, wie Ost und West in einer Mannschaft harmonieren.“ [oller Lallkopp; d.R.] Trainer Peter Weibel, der Vater des Sieges, hatte einen Kloß im Hals, als er sagte: „Der Straßenvierer ist ein Stück von meinem Leben: Das ist der größte Triumph für mich.“

Zwei Ossis und zwei Wessis im gleichen Tritt: Bei glühender Hitze gewannen Uwe Peschel (Erfurt/23), Michael Rich (Öschelbronn/22), Christian Meyer (Hannover/22) und der frühere Berliner Dynamo Bernd Dittert (Hannover/31) in 2:01:39 Stunden für die 102,8 Kilometer die Goldmedaille vor Weltmeister Italien, das mit einem Rückstand von genau 60 Sekunden das Ziel erreichte. Bronze gewann Frankreich mit 2:05:25 Stunden. Das erste gesamtdeutsche Team bei Olympia knüpfte damit an das Gold der DDR vor vier Jahren in Seoul an.

Nach der Zieldurchfahrt spielten sich unbeschreibliche Freudenszenen ab: Erschöpft und glücklich lagen sich Fahrer, Bundestrainer, Betreuer und Offizielle in den Armen. „Mit einer Medaille durften wir wohl rechnen, doch, daß es nun Gold wurde, haut uns alle vom Hocker“, strahlte der glückliche Peter Weibel.

Die Tachonadel in seinem Begleitwagen wies den Goldkurs des deutschen Teams, das seine Richtzeit genau einhielt. Weibel, der seine Männer mit den Zwischenzeiten im Ungewissen ließ, gab erst zum Schluß, als die Italiener kaputt waren, noch einmal Gas. Star des Gold- Ensemble war der bereits 31jährige Bernd Dittert, der einst im DDR- Bahnvierer große Triumphe feierte, in Hannover eine neue Heimat fand und seine zweite Karriere als Straßen-Rennfahrer nun mit Gold abschloß. Gleich nach dem Start auf dem Formel1-Kurs „Circuit de Catalunya“ bei rund 30 Grad Hitze entwickelte sich der erwartete Zweikampf zwischen dem Vorjahres- Weltmeister Italien und dem in Stuttgart deutlich um 2:33 Minuten geschlagenen Quartett Deutschlands. Peschel, Rich, Dittert und der für Uwe Berndt nachgerückte Meyer hielten sich an die Devise von Weibel: „Nicht zu schnell angehen, sonst fahren wir uns fest.“ Das zahlte sich aus für die vier, die unter anderem aus aerodynamischen Gründen die Hitzeschlacht nur mit einer Wasserflasche auf den FES-Rädern bestreiten mußten, die mit dem neuen Dreispeichen-Vorderrad ausgestattet waren. Nach 30:00 Minuten kehrte das Team aus den ersten 25 Kilometern zurück, lediglich um 13 Sekunden von den Azzurri übertroffen, die unverändert mit ihrem Gold-Team '91 ins Rennen gegangen waren. Auch nach der Halbzeit-Marke bei Kilometer 50 führte Italien mit 56:32 Minuten nach prächtigen 26:45 Minuten vor Deutschland (56:46) und ging mit 14 Sekunden Vorsprung auf die letzten 50 Kilometer.

Dann kam der „Einbruch“ der Italiener: sie machten bei der Hitze schlapp und mußten ihrem hohen Tempo Tribut zollen. Die Weltmeister verloren gegenüber Deutschland insgesamt 20 Sekunden und mußten dem Quartett Weibels, das mit 32:11 Minuten auch kräftemäßig nachließ, die Führung nach 75 Kilometern mit 1:28:57 Stunden überlassen. Danach fuhr die BRD unangefochten auf Goldkurs, nahm mit 32:42 Minuten auf den letzten 25 Kilometern den Italienern noch weitere 40 Sekunden ab und ging mit jubelnd erhobenen Armen durchs Ziel.