Abtreibungsgegner im Vormarsch

Polens Parlament billigte rigoroses Gesetz: Zwei Jahre für „Beihilfe oder Anstiftung zur Abtreibung“  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Während sich Gegner und Befürworter eines Abtreibungsverbots am Freitag abend vor dem Warschauer Parlamentsgebäude prügelten, fanden im Sejm heftige Debatten über drei Gesetzentwürfe statt. Jahrelang war der Vorschlag der polnischen Christnationalen für ein völliges Abtreibungsverbot abgelehnt worden. Nun hatten sie endlich die Möglichkeit, sich zu rächen und zum langersehnten Generalangriff auf das 1956 verabschiedete, in der Praxis sehr liberale Abtreibungsgesetz zu blasen. Ihrem Entwurf zufolge, den das Parlament in der Nacht zum Samstag grundsätzlich billigte, können in Polen künftig Abtreibungen nur noch dann vorgenommen werden, wenn das Leben der Mutter bedroht ist.

Selbst bei einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung soll mit zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Für diesen Vorschlag stimmten 212 Abgeordnete, 106 waren dagegen. Abgelehnt wurde damit zugleich ein liberaler Gesetzentwurf der überparteilichen Frauenfraktion im Sejm. Er sah Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche vor — aus gesundheitlichen und sozialen Gründen, nach Vergewaltigungen oder dauerhaften Schädigungen des Fötus. Der Gesetzentwurf war von Abgeordneten der Sozialdemokraten, der Demokratischen Union und der Liberalen unterstützt worden, die sich darüber hinaus für ein Referendum in dieser Frage aussprachen. Doch auch diese Idee verwarf das Parlament mit 188 zu 136 Stimmen bei 18 Enthaltungen. Beschlossen wurde dagegen, den restriktiven Entwurf der Christnationalen in einen Sonderausschuß zu verweisen. Im Herbst soll die zweite Lesung des Gesetzentwurfs stattfinden. Danach muß noch der Senat zustimmen und Präsident Walesa seine Unterschrift hinzufügen.

Insgesamt verlief die Abtreibungsdebatte höchst kontrovers. Demokratische Union, Sozialdemokraten und Liberale sprachen sich gegen die geplante Verschärfung aus, die Bauernparteien, Christdemokraten, Zentrum und Christnationale verteidigten sie. Sollte deren Entwurf verwirklicht werden, drohen ÄrztInnen, Schwestern und Verwandten einer Schwangeren, die sich für eine Abtreibung entscheidet, zwei Jahre Gefängnis wegen „Beihilfe oder Anstiftung zur Abtreibung“. Die schwangere Frau selbst dagegen bleibt straffrei.

Daß eine solche Regelung Abtreibungstourismus begünstigt, liegt auf der Hand. Straffrei bleiben nur ÄrztInnen, die eine Schwangerschaft unterbrechen, um das Leben der Mutter zu retten — nicht jedoch, wenn es „nur“ um deren Gesundheit geht. Im Zweifelsfall bleiben Mutter und Arzt allerdings Gerichtsverfahren nicht erspart, da zunächst wie bei gewöhnlichen Strafverfahren ermittelt werden muß, ob tatsächlich ein Fall von Nothilfe vorliegt.