Sieg für Japans Liberaldemokraten

Zerstrittene Opposition unterliegt bei japanischen Parlamentswahlen/ Kontroverse Meinungen zum Blauhelm-Gesetz/ Innerparteilicher Konkurrent von Premierminister Miyazawa legte kräftig zu  ■ Aus Tokio Georg Blume

Premierminister Kiichi Miyazawa ist seines Amtes wieder sicher. Japans WählerInnen gaben ihrem Regierungschef gestern ein unerwartet deutliches Vertrauensvotum. Bei den gestrigen Parlamentswahlen zum Oberhaus gewannen die regierenden Liberaldemokraten weit über die Hälfte der zur Wahl stehenden Mandate. In der japanischen Politik endet damit eine Phase, in der auch den Oppositionsparteien Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt wurden. Demgegenüber hat die seit 1955 regierende Liberal-Demokratische Partei (LDP) ihren Anspruch auf die Alleinregierung in den neunziger Jahren gefestigt.

Bis Redaktionsschluß waren 113 von 127 freiwerdenen Oberhaussitzen vergeben. Davon gewannen die Liberaldemokraten 66 Sitze und die Oppositionsparteien 47 Sitze. Damit erlangen die Liberaldemokraten allerdings nicht die absolute Mehrheit im Oberhaus. Denn das Wahlsystem zur zweiten japanischen Parlamentskammer sieht vor, daß jeweils alle drei Jahre nur die Hälfe der Mandate neu besetzt wird. In dem 252 Mitglieder zählenden Parlament standen gestern nur 127 Sitze zur Wahl. Da den Oppositionsparteien noch vor drei Jahren ein überzeugender Sieg bei den Oberhauswahlen gelang, bewahren sie gemeinsam eine numerische Mehrheit. Die freilich ist politisch nicht von Gewicht, da zwei kleine Oppositionsparteien bereits vor der Wahl mit der LDP zusammengearbeitet haben. Bereits in dieser Spaltung der Opposition lag ein wichtiger Grund für den Wahlsieg der LDP. Denn obwohl die Oppositionsparteien in vielen Wahlkreisen mit einem gemeinsamen Kandidaten antraten, waren die Bündnisparteien hoffnungslos untereinander zerstritten. Anlaß dafür bot das im Juni verabschiedete Blauhelmgesetz, das für alle Parteien wichtigste Thema dieser Oberhauswahl. Die LDP dagegen verfügte über eine klare, auch im Ausland gewürdigte Position, die nun auch bei den Wählern größeren Anklang fand. So gewann die LDP gestern alle Wahlkreise bis auf zwei, wo sie in einem direkten Kopf-an- Kopf-Rennen mit der Opposition lag. Jene zwei Ausnahmen aber fallen nicht umsonst auf Hiroshima, wo die Atombombe die pazifistische Grundhaltung prägt, und auf die südlichste Insel Okinawa, die am schwersten unter dem Zweiten Weltkrieg litt.

Hinter dem Wahlsieg der Liberaldemokraten verbirgt sich allerdings kein persönlicher Sieg von Premierminister Miyazawa, wenngleich er für eine Niederlage verantwortlich gemacht worden wäre. Tatsächlich hat von den vier Fraktionen innerhalb der LDP, die traditionell auch untereinander um Stimmen streiten, eine allein das Rennen gemacht: Gestern gewann nämlich die Fraktion des Partei-Vizes Shin Kanemaru annähernd die Hälfte der liberaldemokratischen Mandate. Shin Kanemaru, dem ohnehin der Ruf von Japans Schattenkönig nachhängt, hat sich damit alle Mittel verschafft, nach Miyazawa auch dessen Nachfolger zu bestimmen. Der junge Parteistratege Ichiro Ozawa, ein offensiver, von vielen des Militarismus verdächtigter Politiker, kann sich als Schützling Kanemarus immer bessere Chancen ausrechnen. Auf der Gegenseite sind die Sozialdemokraten dem Verzweifeln nahe. Sie haben gestern gegenüber den Wahlen vor drei Jahren annäherend zehn Millionen Stimmen verloren. Hatte man sich vor Monaten noch Hoffnungen gemacht, die LDP mit einem Wahlsieg am gestrigen Tag in eine große Koalition zu zwingen, so sind jetzt alle Regierungshoffnungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Überdies droht sich die Partei zu spalten: Ein Teil der Partei will nicht länger an den pazifistischen Verfassungsprinzipien festhalten.