Eine Kleinstadt auf Durchreise

■ 55 Millionen Touristen fallen jährlich in Hamburg ein/Viele finden es zu schmutzig

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Hamburg ein / Viele finden es zu schmutzig

Hand aufs Herz: Stößt Ihnen bei Ihrer Sommerfrische auch immer heftig auf, wie schmutzig doch die öffentlichen Verkehrsmittel dort sind? Und ärgert es Sie auch zunehmend, wenn Sie in den schönsten Wochen des Jahres auf ein Shopping-Zentrum mit Erlebnis-Charakter und eine TV-geeignete Veranstaltungshalle verzichten müssen? Dann teilen Sie Ihr Los mit vielen TouristInnen, die sich bei ihren Hamburg-Ferien mit solcherlei Widrigkeiten abfinden müssen.

Zumindest listete das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (DWIF) in München diese Kritikpunkte in einer Untersuchung über Hamburgs Tourismusbranche auf. Das Gutachten über die Bedeutung des Fremdenverkehrs für Hamburg wurde von den Münchner Wissenschaftlern im Auftrag der Wirtschaftsbehörde angefertigt. Trotz der oben erwähnten Mängel vehalfen die Bajuwaren Wirtschaftssenator Hans-Jürgen Krupp doch zu einem überwiegend strahlenden Lächeln, als er gestern die Studie der Presse vorstellte.

Vier Millionen Hotel- und zwölf Millionen Privatübernachtungen zählte das DWIF im vergangenen Jahr: „Da kommt täglich immerhin eine schöne Kleinstadt zu Besuch“, freute sich Krupp. Eine neuere Entwicklung: Im Gegensatz zu anderen deutschen Großstädten, die schon in den 70er Jahren auf den Städtetourismus setzten, sprang Hamburg erst 1986 auf diesen Zug auf, erklärte gestern der Münchner Projektleiter Dr. Joachim Maschke. Dies jedoch mit Erfolg: Seit diesem Zeitpunkt verzeichnet die Hansestadt überproportionale Zuwächse.

Die jährlich rund 55 Millionen BesucherInnen (inclusive Tagesausflügler und Geschäftsreisende) fül-

1len die Geldbeutel der Hamburger Geschäftsleute mit jährlich 3,5 Milliarden Mark und das Staatssäckel mit rund 150 Millionen Mark Steuereinnahmen. „Für jede Mark, die die Stadt in die Branche investiert, fließen zehn Mark zurück“, rechnete Krupp zufrieden vor. Dieser positive Trend könne sich auch in den nächsten Jahren weiter fortset-

1zen, prognostizierte Maschke. Dies jedoch nur, wenn in der Hansestadt zügig mindestens 2500 neue Hotelbetten geschaffen würden. Auch an seinem Image müsse Hamburg noch arbeiten, obwohl es schon „ganz gut geglückt ist, die Stadt als Ganzes zu vermarkten.“

Zur Freude aller Beteiligten fühlen sich 90 Prozent der HanseatIn-

1nen durch den Besucherstrom nicht gestört. Einige Gäste zeigen sich pingeliger: Obdachlose, Drogensüchtige und die HafenstraßenbewohnerInnen beeinträchtigen zuweilen ihr ästhetisches Empfinden. Einen kleinen voyeuristischen Abstecher zu den Horten des Bösen lassen sie sich dennoch selten entgehen. Sannah Koch