Tiergarten soll 30.000 Autos ausspucken

■ Senat legte Lage des Autotunnels fest: Autofahrer erhalten eine Ausfahrt mitten im Grünen/ SPD stimmte trotz gegenteiliger Versprechungen zu

Berlin. Eine der Ausfahrten des geplanten Autotunnels unter dem Tiergarten soll mitten in der denkmalgeschützten Grünanlage enden. Das hat der Senat in diesem Monat beschlossen. Bisher sind weder die Öffentlichkeit noch der betroffene Bezirk über die Tunnelentscheidung informiert worden.

Nach dem Beschluß des Senats soll die Autoröhre — für Eisenbahn, U- und S-Bahn sind weitere drei Tunnel unter dem Tiergarten geplant — im Norden mit vier Spuren an der Invalidenstraße beginnen. Unter dem Park trennen sich dann die Wege, die täglich von jeweils 30.000 Autos benutzt werden sollen. Damit der Potsdamer Platz für Automobilisten ohne große Umwege erreichbar ist, sollen zwei Spuren bereits vor dem Platz an der Erdoberfläche auftauchen, erläuterte Ural Kalender, Abteilungsleiter der Verkehrsverwaltung der taz — und zwar nördlich des Kemperplatzes mitten im Tiergarten. Die anderen zwei Spuren verlaufen unter dem Potsdamer Platz hindurch und enden an der Schellingstraße.

Ursprünglich sollte sich die »Tiergarten-Ausfahrt« auf dem Potsdamer Platz befinden — die Blechlawine wäre allerdings genau auf dem Grundstück des japanischen Multis Sony ausgespuckt worden. Die Konzernchefs wehrten sich gegen diesen Plan, weil sie weder einen »Wall«, noch Lärm oder Abgase unmittelbar vor ihren unteren Etagen ertragen wollten. Die Bauverwaltung bemängelte im April, daß die Tunnelausfahrt die Philharmonie vom Potsdamer Platz getrennt hätte. Die SPD schloß damals den Tiergarten-Rand als Alternative ausdrücklich aus. »Dann müßte der Senat mit unserem Widerstand rechnen«, drohte Wolfgang Behrendt, umweltpolitischer Sprecher der SPD.

Dieser Widerstand war offenbar halbherzig. Yorck Kämpfer, persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden, berichtete der taz, seine Partei habe bereits im Mai — kurz vor den Bezirksverordnetenwahlen — der Ausfahrt im Grünen zugestimmt. Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, behauptet demgegenüber, ihre Fraktion habe sich noch im Juni gegen das Autoloch im Tiergarten ausgesprochen. Denn würden nur zwei der vier Spuren am Tiergartenrand auftauchen, sei der ökologische Eingriff sehr viel schwerwiegender. Die Fahrbahnen müßten aufwendig von einander getrennt werden. Deshalb hätte die SPD — auch nur »zähneknirschend« — einem »kurzen Tunnel« zugestimmt, weil eine vierspurige Ausfahrt im Park die umweltverträglichere Lösung sei, so Zillbach. Kämpfer widersprach der Darlegung der Sprecherin: »Die hat im Mai zugestimmt.«

Die Senatsentscheidung sei eine politische Vorgabe, die endgültige Lage werde aber erst im Planfeststellungsverfahren — spätestens 1995 — festgelegt, erläutert Verkehrsplaner Kalender. Dirk Wildt