Haralds Inzest

■ „Mannsbilder“, So., 18.10Uhr, SR

Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragt Jutta. Sagen wir vorläufig: Wenn er trinkt. Harald trinkt gelegentlich einen über den Durst. Aber auf der Bühne kann er immer noch gerade stehen. Deswegen hat er bei meiner Mutter einen Stein im Brett. Ein feiner Kerl.

In der SR-Sendereihe „Mannsbilder“ suchte der Entertainer Harald Juhnke sich die fundamentalistische Journalistin Jutta Ditfurt zum Plaudern aus. Kann man verstehen. Der Harald ist ein Problemkind. Er hat, wie er sagt, „nah am Wasser gebaut“. Kann man so oder so auffassen. Nah am Tränen- oder, wahrscheinlicher, am Kirschwasser. Und Jutta ist eine strenge Mutti. Jutta hat diesen Ausdruck einer Frau, die man mit einer Zote nicht zum Lachen bringen kann. Statt dessen ereilt einen augenblicklich das schlechte Gewissen. Und wenn nicht, dann gehört man zu jenen Männern, bei denen eh Hopfen und Malz verloren sind und deren Borniertheit die Jutta erst auf den Plan ruft.

Harald gehört zur ersten Sorte. Er ist ein lieber. Artig beantwortet er Juttas Fragen. Sie schleppt Deutschlands berühmtesten Entertainer in eine Gay-Bar und redet nur von Sex: „Ihr Frauenbild ist mir zu abgeklärt“, fängt sie schließlich an zu bohren, als auch sie merkt, daß das alles sterbenslangweilig zu werden droht. „Ich bin ja auch schon 60“, entgegnet Harald trotzig. Das mag wohl sein. Aber trotzdem ist Harald der kleine Junge, der sich mächtig von seiner Ditfurth-Mutti angezogen fühlt.

„Gibt es Frauen, vor denen Sie Angst haben?“ setzt Jutta nach wie einst Berti Vogts auf den linken Außenverteidigerposten, wenn er, was selten vorkam, umspielt wurde. „Ja, Alice Schwarzer“, sagt Harald prompt. Logisch, Alice ist die böse Mutti, die auf dem Besenstiel reitet. Während Jutta, diskreter, einen multifunktionalen Besen führt, der sich in Gesprächen in Form von Schlagfertigkeit einsetzen läßt. Und wenn Harald noch hinzufügt, daß ihn „die älteren Mädchen mehr interessiert“ haben, dann braucht man nicht mehr zu den Schriften des Wiener Nervenarztes zu greifen, um festzustellen, daß wir einem ausgewachsenen Inzest beiwohnen.

„Was ist ein Tiefschlag?“ fragt Jutta schließlich, aufs Ganze gehend. Haralds Antwort habe ich überhört, denn was sich als „Kommentar“ auf diese Frage im Hintergrund abspielte, ist ein Kleinod für jeden TV- Kritiker: zwei Boxer beim Sparring. Das ist, zumal in einem Film, der montiert ist wie die Wetterkarte, so dumpf, daß man nicht einmal auf die Idee kommt, daß das ein Bluff, eine Falle für eifrige Verrisse-Schreiber sein könnte.

Also noch einmal: Wann ist ein Mann ein „Mann“? — Wenn er trinkt, ohne mit seiner Mutti im Fernsehen über Sex reden zu müssen. Manfred Riepe