Let's go offense!

■ American-Football-Fans feiern sich selbst

Berlin (taz) — Angesichts des gigantischen Kommerzspektakels Olympia verspürt so mancher den Wunsch, der „Wahrheit“ im Sport auf den Grund zu gehen. Man erkennt sie beispielsweise in der Kraft des dumpfen Aufeinanderprallens muskulöser Körper, die beim American Football das Spiel beherrscht. Wer sich diesen urgewaltigen Genuß nicht entgehen lassen wollte, befand sich am letzten Sonntag nachmittag in der Radrennbahn Schöneberg, wo das letzte Vorrundenspiel der Bundesliga Nord zwischen den Berliner Adlern und den Monheim Sharks ausgetragen wurde.

Spannend war das Spiel eigentlich nicht. Die „Sharks“ zeigten auch dieses Mal keine Zähne, und die „Adler“ gingen, wie üblich, als überfliegende Sieger mit dem eindeutigen Ergebnis von 31:0 Punkten aus dem Match hervor.

American Football ist in unseren Breiten nicht unbedingt ein sportliches als vielmehr ein gesellschaftliches Ereignis. Unter den Zuschauern befinden sich bemerkenswert viele Frauen. Generell läßt sich das Publikum in zwei Kategorien einteilen. Es gibt einmal diejenigen, die ganz offensichtlich Kraftsporttraining betreiben und in ärmellosen T-Shirts das Ergebnis zur Schau stellen. Ferner sieht man solche, die von allen sportlichen Aktivitäten lieber absehen und sich allein dem reinen Biergenuß hingeben. Erfreulicherweise frequentieren mittlerweile auch vereinzelte subkulturelle Erscheinungen, wie langhaarige Hardrockfans, das Stadion und beleben dort die Szene.

Die Stimmung in Schöneberg war jedenfalls bombig. Man zelebrierte den warmen Sonntag nachmittag in gewohnter Manier mit einem „Berliner Kindl“ aus der Dose, Rostbratwürstchen und Nackensteaks vom Grill sowie zwischen zwei kalte Toastscheiben gepreßten Hamburgerimitationen. Auch die Vegetarier unter den Zuschauern mußten nicht darben: Salziges Popcorn und sauer eingelegte Gurken standen bereit.

Zuweilen wurde sogar das Spiel in die allgemeine Begeisterung miteinbezogen. Nachdem der Running Back der „Adler“, Matthias Maruhn, bereits in der ersten Hälfte des Matches mit zwei Touchdowns einen soliden Vorsprung von 14:0 Punkten erzielte, kommentierte man das im lakonisch geraunten Sprechchor mit: „Wer sonst?“

Die zweite Halbzeit verlief deutlich ruhiger, war man sich doch des Sieges schon gewiß. Die aufregendsten Spielzüge waren die als Foulspiel abgepfiffenen Langpässe von Quarterback Cliff Madison. Das Publikum verarbeitete diese kleinen Mißlichkeiten, indem es gutgemeinte Ratschläge lautstark an die Spieler weiterreichte: „Haut ihm doch die Beine weg“, „Lauf, du schlaffe Sau“.

Einen letzten wunderschönen Touchdown brachte schließlich Necmettin „Joey“ Türkkal zustande, der auch unter dem ehrenhaften Namen „Flying Kebab“ bekannt ist. Madison erwischte ihn mit einem lässig aus der Hüfte geworfenen Pass, den er dann zu einem 28:0 verwandeln konnte.

Die Fans waren zufrieden. Und wer nach diesem Pop-Junk-Spektakel noch nicht die Schnauze voll hatte, verzog sich zum Deutsch- Amerikanischen Volksfest nach Zehlendorf, wo weitere (kulinarische) Spezialitäten warteten. Diesmal schwor man sich allerdings, nicht alles durcheinander zu essen— sondern schön der Reihe nach. Kirsten Niemann