EG-Mindeststeuern mit Extra-Klauseln

■ Vorläufige Einigung auf EG-Paket/ Mehrwertsteuer soll mindestens 15 Prozent betragen/ Frankreich und Spanien haben Vorbehalte/ Rund 150 Sonderregelungen für nationale Industrien

Brüssel (dpa/AP/taz) – Die Steuerharmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft ist fünf Monate vor dem Start des EG-Binnenmarkts formal fast abgeschlossen. Die Finanzminister einigten sich am Montag abend in Brüssel auf ein Gesamtpaket zur Angleichung der indirekten Steuern und als wichtigsten Schritt dahin auf eine Mehrwertsteuer von mindestens 15 Prozent. Diesen Mindestsatz hatte die Gemeinschaft im Prinzip bereits vor einem Jahr festgelegt. Er war vom Bonner Parlament im Februar nach harten Auseinandersetzungen mit der SPD sogar schon in nationales Recht umgesetzt worden und wird die deutschen Verbraucher ab 1. Januar 1993 treffen.

Abgesehen von der Mehrwertsteuererhöhung bleiben die deutschen Einkäuferinnen und Einkäufer nach den jetzt vereinbarten Regelungen aber weitgehend ungeschoren: Die derzeitige Abgabenhöhe für Heizöl, Diesel, Zigaretten, Zigarren, Wein oder Schnaps liegt über den neuen Mindestsätzen. Lediglich Bier könnte leicht teurer werden, da der geplante Steuersatz (18,4 Pfennig/Liter) über dem derzeitigen deutschen Niveau von 14,2 Pfennig liegt.

In anderen EG-Ländern sieht es anders aus: Dieselkraftstoff wird in den Niederlanden, in Dänemark, Belgien und Frankreich teurer. Luxemburg und Griechenland müssen ihre Benzinsteuern auf verbleiten und bleifreien Kraftstoff demnächst anheben. Unverbleites Benzin wird auch in Dänemark teurer. In Griechenland wird der Preis für hochprozentigen Alkohol steigen.

Ganz beschlossen ist das Steuerpaket allerdings noch nicht. Die notwendige Einstimmigkeit für einen Beschluß scheiterte an Vorbehalten Frankreichs und Spaniens. Erst wenn beide Regierungen bis morgen zustimmen, kann das Paket zum 1. Januar 1993 in Kraft treten. Hintergrund ist ein Streit zwischen Briten und Spaniern: Madrid wehrte sich dagegen, daß Großbritannien seinen „künstlichen“ Cyprus-Sherry um rund zwei Mark niedriger besteuert als den traditionellen „Jerez“.

Zwar wurde dafür ein Kompromiß gefunden, Spanien machte jedoch vorsichtshalber wegen Abwesenheit des Ministers einen Vorbehalt geltend. Frankreich, das als einziges Erzeugerland seinen Wein besteuert, will aus Furcht vor einer Importschwemme von Billigwein keinen Null-Satz bei Wein akzeptieren. Aus Rücksicht auf die Weinbauern ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß Paris eine Entscheidung bis zur Volksbefragung über die Maastrichter Verträge im September aufschiebt.

Ebenfalls auf Widerstand stößt die geringe Heizölsteuer und die besonders von Bonn gewünschte niedrige Besteuerung von landwirtschaftlichen Produkten, nachdem Paris selbst erst kürzlich die Steuern auf Schnittblumen und forstwirtschaftliche Produkte angehoben hatte. Bis zuletzt feilschten zudem die Briten um eine niedrige Mindeststeuer für Whisky, um seine Exportmärkte nicht zu gefährden. Großbritannien akzeptierte aber schießlich die fünfzehnprozentige Mehrwertsteuer für zunächst vier Jahre.

Der Bonner Finanzstaatssekretär Christoph Zeitler zeigte sich nach den Verhandlungen befriedigt, weil die Bundesregierung die Einführung einer Weinsteuer habe verhindern können. Für mittelständische Brauereien und Brennereien hätten Entlastungen durchgesetzt werden können. Weil die Steuerunterschiede nicht ganz abgebaut werden, müßten hinter den Grenzen aber weiter Stichproben durchgeführt werden.

Vorteile also für den Mittelstand. Gleichzeitig hatte Bundesfinanzminister Theo Waigel am Wochenende aber noch einmal betont, daß er im Februar bei der Bonner Auseinandersetzung um die Erhöhung der Mehrwertsteuer keineswegs eine Erhöhung des Kindergeldes zugesagt habe. Eine solche Erhöhung hatte die SPD damals gefordert, weil die Mehrwertsteuererhöhung vor allem ärmere Familien treffe. Hinter den Kulissen monierten Diplomaten gestern, die Beschlüsse seien bestenfalls ein zaghafter Schritt zur Steuerangleichung in der EG. In dem ganzen Maßnahmenpaket gebe es rund 150 Übergangs-, Ausnahme- und Sonderregelungen, so daß das Ganze mit einer Harmonisierung im Grunde nichts zu tun habe. ten