Schnelle Hilfe für Flüchtlinge

■ Die Initiativen in den FNL übersteigen den Willen der Bundesregierung aufs Schönste

Magdeburg (taz) — Ausländerfeindlichkeit? Für die Menschen in den neuen Bundesländern offenbar kein Thema, wenn man die Hilfsbereitschaft betrachtet, mit der die bosnischen Flüchtlinge in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt empfangen werden. Zum Beispiel Magdeburg: Bei der Ankunft der Kriegsflüchtlinge waren neben den offiziellen Helfern des Roten Kreuzes und der Polizei auch zahlreiche Passanten am Bahnhof, um die Ankommenden mit Blumen zu begrüßen. „Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend“, sagt Matthias Schuppe vom Magdeburger Innenministerium. „Zahlreiche Privatpersonen haben sich angeboten, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen.“ Das Innenministerium hat inzwischen ein Sondertelefon eingerichtet, um alle Hilfsangebote aufzunehmen: 5675444.

Ähnlich war die Situation in Dresden, als am Montag 400 BosnierInnen nach 20 Stunden Zugfahrt eintrafen. Ein Serbe, der auf dem Bahnhof einen Imbißstand unterhält, versorgte die erschöpften Flüchtlinge mit Kaffee, Keksen und Pizza. Viele DresdnerInnen erklärten sich spontan dazu bereit, Familien unterzubringen. Derzeit leben die Flüchtlinge noch in Acht-Bett-Zimmern in einem umgewandelten ehemaligen Armeeobjekt in Groß-Rohrsdorf und werden dort unter anderem von einem Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien betreut. Der Ausländerrat Dresden koordiniert die Aufnahmewünsche (Heinrich-Zille-Str.8, 8020 Dresden, Tel.: 471-0558). Die Liste der Aufnahmewilligen wird — wie bei der taz-Aktion „Fluchtweg“ — gesammelt und an die Stadtverwaltung weitergegeben. Laut Ministerpräsident Kurt Biedenkopf gibt es zur Zeit in Sachsen Aufnahmeangebote für cirka eintausend Familien. „In Magdeburg“, so Schuppe, „werden die Flüchtlinge zunächst in Unterkünften untergebracht, die die Kommunen für die Aufnahme von Aussiedlern vorbereitet haben.“ Die jetzt angebotenen Quartiere werden jedoch überprüft, denn anders als die Bundesregierung geht das Land Sachsen-Anhalt davon aus, daß noch weitere Flüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina nach Deutschland kommen: „Und wir sind jederzeit dazu bereit, weitere Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien aufzunehmen.“ Prominentester Teilnehmer der Flüchtlingshilfe aus Sachsen-Anhalt ist übrigens Umweltminister Wolfgang Rauls. „Nach einer Diskussion in der Familie haben wir uns entschlossen, eine bosnische Flüchtlingsfamilie bei uns aufzunehmen“, sagt er. In Weimar hat sich eine Initiative gegründet, um kriegsverletzte Kinder und deren Eltern in einem organisierten Konvoi nach Weimar zu bringen. Das Thüringer Sozialminiaterium hat am Montag in kürzester Zeit DM 20.000 zur Unterstützung der Fahrt bewilligt. Die Weimarer Verkehrsbetriebe GmbH wollen den geplanten Konvoi mit eigenen Fahrzeugen und Personal begleiten. Das DRK wird sich mit fünf Krankentransportfahrzeugen sowie einem Rettungswagen und einem Einsatzfahrzeug beteiligen. Alle der jetzt rund 5.000 aufgenommenen Frauen, Kinder und auch Männer könnten in deutschen Familien einen Platz finden. Doch das ist gar nicht so einfach. in Bayern beispielsweise haben fast 1.100 deutsche Familien Plätze für rund 2.800 Flüchtlinge angeboten, doch ihr Wunsch entspricht nicht unbedingt dem Willen der Betroffenen. Von den im Aufnahmelager Deggendorf untergebrachten 130 Bosniern, so das Münchner Sozialministerium, wollte überhaupt keiner in Privatfamilien. Möglicher Hintergrund: Sie sprechen fast ausnahmslos nur ihre Landessprache und wollen zumindest zunächst einmal „unter sich“ bleiben. Außerdem, so das Ministerium, müsse man jetzt „bei zehn Familien anrufen, um einen unterzubringen“. Die konkreten Umstände entsprächen vielfach nicht den Vorstellungen der Familien, die sich gemeldet hatten. Viele erwarteten Mütter mit Kindern und sehen sich jetzt mit Großfamilien konfrontiert. Eberhard Löblich/Detlef Krell/AP