Bosnien: Mehr als 8.000 Tote...

■ ... und auch bei den Friedensgesprächen in London gibt es keine Hoffnung auf ein Ende des Krieges

London/Belgrad (AFP/taz) — Der jugoslawische Ministerpräsident Milan Panic hat begonnen, auch auf seine eigenen Landsleute Druck auszuüben. Während eines Spanien-Besuches stellte der aus Serbien stammende US-Millionär fest, daß die Serben alle Gebiete Bosnien-Herzegowinas, die ihnen „nicht gehören“, räumen müßten. Wie unklar die Friedenspläne des Ministerpräsidenten jedoch weiterhin sind, wurde aus einer anderen Äußerung deutlich: Im Widerspruch zu seinen Rückzugsforderungen schlug er vor, nach Kriegsende Bosnien-Herzegowina in drei Gebiete einzuteilen. Serben, Moslems und Kroaten sollten „vorläufig“ eigene Gebiete zugesprochen bekommen, um die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten. In einer zweiten Phase müßten Wahlen einberufen und die jeweiligen Ordnungskräfte abgezogen werden. Ohne weitere Differenzierung stellte Panic fest, daß für die Fortsetzung des Krieges „1.200 Banditen“ verantwortlich seien, „die wie die Irren zu schießen beginnen, sobald ein neuer Waffenstillstand unterzeichnet wird“.

Erneut angegriffen wurde die serbische Führung außerdem von der serbischen Opposition. Im Namen der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO) drohte Vuk Draskovic mit einem Boykott der für Herbst angekündigten Wahlen. Falls die Regierung versuchen sollte, die unabhängigen Medien zu verstaatlichen, werde die Opposition zu Massendemonstrationen aufrufen.

Planspiele über die Zukunft Bosniens finden seit Montag auch in London statt. Bei den von der EG vermittelten „Friedensgesprächen“ kam es bisher jedoch noch nicht zu einem direkten Treffen der Vertreter der drei Konfliktparteien. Statt dessen sprach der portugiesische Botschafter in Belgrad, José Cutileiro, mit dem Serbenführer Radovan Karadcic, dem bosnischen Außenminister Haris Siladzjik und dem Kroaten Mate Boban. Dabei lehnte Siladzjik die von Cutileiro vorgeschlagene und von Kroaten und Serben akzeptierte Aufteilung seiner Republik in Volksgruppen-Kantone ab: Dies sei gleichbedeutend mit einer Katastrophe, dies ermögliche die Ermordung Tausender und die Vertreibung Hunderttausender Bosniaken. In eine Sackgasse gerieten die Gespräche, als der Außenminister erklärte, daß seine Regierung keiner Übereinkunft zustimmen werde, solange die Menschen in Gorazde dem Hungertod nahe seien. Die Serben in Bosnien machten dagegen deutlich, daß ihr Ziel ein „breitangelegter Bevölkerungsaustausch“ sei. Als Beispiel für die hierfür in Frage kommenden Städte nannten sie unter anderem Sarajevo und Gorazde. Dort würden, so Serbenführer Karadzic, serbische Zivilisten von Moslems und Kroaten als „ethnische Geiseln“ gefangengehalten.

Entgegen ihren sonstigen Gepflogenheiten hat die serbische Führung in Bosnien am Dienstag eine Bilanz der eigenen Verluste bekannntgegeben. Danach wurden seit dem 19.Juli, an dem ein 14tägiger Waffenstillstand in Kraft treten sollte, 98 Soldaten getötet und 265 weitere verletzt. Das bosnische Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Toten seit dem Beginn der Kämpfe Anfang April auf insgesamt 8.018, darunter 1.200 Kinder, 31.150 Menschen seien verletzt und 40.000 als vermißt gemeldet worden. Außerdem schlug die Führung der selbstproklamierten „Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina“ vor, den Waffenstillstand über den 2. August hinaus um zehn Tage zu verlängern. Während dieser Frist sollte es allen Bewohnern von Sarajevo ermöglicht werden, in gesicherten Korridoren die Stadt zu verlassen. her