Wird Berlin die neue Banken-Hauptstadt?

■ Gerangel um den Standort einer norddeutschen Landeszentralbank / Geheimtreffen der Regierungschefs brachte Entscheidung / Trotz Dementis: taz verfügt über detaillierte Pläne

/ Geheimtreffen der Regierungschefs brachte Entscheidung / Trotz Dementis: taz verfügt über detaillierte Pläne

Der Streit um den neuen Sitz der Landeszentralbank (LZB) für Norddeutschland ist in eine entscheidende Phase getreten: Danach könnte die neue LZB nach den heftigen Kontroversen der Vergangenheit in Berlin errichtet werden. Nachdem sich nach langem Knatsch die Landesregierungen von Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern vor kurzem darauf geeinigt hatten, die neue Zentrale in der Elbmetropole einzurichten, schossen nun die Gewerkschaften gegen diese Lösung.

Der Kieler Landesverband der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) warnte am Dienstag in einem Brief Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein davor, daß ihr Beschluß zur Liquidierung der Kieler LZB und die Vernichtung von 350 Arbeitsplätzen „sozialen Sprengstoff“ in sich berge. Ein Umzug der LZB nach Hamburg mit allen Abteilungen würde nach DAG-Auffassung föderale und eine Menge anderer Probleme aufwerfen. Deshalb sollten zumindest Teile der LZB in Kiel bleiben. Gleichzeitig forderte die DAG die Politiker auf, endlich Fakten auf den Tisch zu legen. Neben der Überteuerung des Standorts Hamburg wegen der hohen Mieten, sei bei den Pendlern auch an die teuren Fahrkosten und die nicht optimalen Verkehrsbedingungen zu denken, Familien drohten daher auseinanderzubrechen. Daß die betroffenen Arbeiter, Angestellten und Beamten nicht wüßten, ob sie in Kiel bleiben, nach Hamburg umziehen müssen oder sogar entlassen würden, sei nicht tragbar. DAG-Sprecher Peter Frühwald: „Ein Zustand wie im Wilden

1Westen.“

Der Hamburger DAG-Landesverband kommentierte die Pläne nüchterner. DAG-Pressesprecher Uwe Martens: „Die Hamburger Kollegen sind die Gewinner, die Kieler Kollegen die Verlierer.“ DAG-Bankensekreträrin Eva Loll sieht aber dennoch Probleme. Denn die rund 130 Kieler Mitarbei-

1terInnen, die vielfach im Kieler Raum ein Häuschen hätten, würden größtenteils zu Pendlern werden, auch wenn mittlerweile von der LZB ein Haus in Hamburg angekauft worden sei — wohl unter dem Motto: „Zusammen arbeiten,

1zusammen wohnen.“ Eva Loll: „Für die LZBler ist es aber keine Lösung, in diesen Silos zu sitzen.“

Und auch für die Hamburger KollegInnen befürchet die DAGlerin Nachteile. Wenn 130 Kieler in Hamburg übernommen werden, brechen für viele Hanseatische LZBler einige Sprossen der Karriereleiter heraus. Eva Loll: „Wenn in

1diesem Ausmaß Kieler ankommen, sind die Aufstiegschancen für die nächsten Jahre verbaut.“

In einem Sitzungsmarathon hat nun eine „konzertierte Aktion“ in den gestrigen Morgenstunden eine offenbar sensationelle Lösung gefunden, die „in der Mitte liegen“ soll. An den Beratungen waren die jetzigen LZB-Chefs sowie Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Björn Engholm, Mecklenburg- Vorpommerns Chef Berndt Seite (CDU) und Hamburgs SPD-Senatsvorsteher Henning Voscherau, der extra seinen Sylt-Urlaub unterbrach, und die beiden DAG-Landeschefs beteiligt. Nach den der taz zugetragenen Plänen soll die LZB nun definitiv in Berlin errichtet werden.

Unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Ergebnisses registrierte die taz bei einem Blitzbesuch in Berlin auf dem Kurfürstendammm bereits rege Bautätigkeit. Ansonsten ist die Nachricht in Berlin wie eine Bombe eingeschlagen, so daß am gestrigen Nachmittag sämtliche Geschäfte geschlossen blieben.

Berlin wäre als neuer Sitz der LZB für Mecklenburg, Schleswig- Holstein und Hamburg nicht nur ein optimaler Kompromiß, sondern verfügt auch schon über eine Infrastruktur. Ohne Probleme könnten die Staatsmillionen in der schon vorhandenen Raiffeisen-Bank an der Postsdamer Straße deponiert wer-

1den. Der LZB-Verwaltungskomplex könnte nach minimalen Umbauarbeiten gegenüber in der Berliner Mühle an der Heerstraße untergebracht werden, wo bereits gestern heftige Instandsetzungstätigkeiten im Gange waren.

Probleme gibt es allerdings mit der Verkehrsanbindung, weil Berlin derzeit über keine Schienentrasse verfügt, sondern nur acht mal von den Bussen der Autokraft angefahren wird. Die Sicherheit im Dorf ist allerdings garantiert: Denn Berlin verfügt über eine aktive Freiwillige Feuerwehr. Wenn in Zukunft die Millionenbeträge bei der Raiffeisenbank gelagert werden, müßte al-

1lerdings die nicht vorhandene Dorf–Gendarmarie personell entscheidend verstärkt werden.

Kaum Probleme dürfte eine zukunfstorientierte Unterbringung der LZB-MitarbeiterInnen aus Hamburg und Kiel aufwerfen. Denn im Umkreis des 1000-Seelendorfes in der Gemeinde Seedorf (Kreis Segeberg) ist genügend Bauland vorhande, um neue Häuschen für die Kieler und Hamburger zu bauen. Nur Hamburgs DAG-Sprecher Uwe Martens zeigte sich über den gefundenen Kompromiß nicht erfreut. „Für mich ist in diesem Konflikt der Mittelpunkt der Welt in Lübeck.“ Kai von Appen