Goldhoffnungen aus Hamburg

■ Zwei Hamburger Bands machen Hoffnungen auf das Goldene Zeitalter: We Smile und Die Sterne

und Die Sterne

Zwei neue Maxis aus dem Hause L'Age D'Or, die die Fackel der Deutlichen Spiele weitertragen: Die Sterne, Soulrocker im Agitationsbassin, und We Smile, Popromantiker mit Katapultkräften, stellen neue Beweise zur Verfügung, daß die Hamburger Kettenreaktion in Sachen Popmusik nicht mehr zu stoppen ist. Die Sterne um Ex-Kolossale Jugend-Drummer Christoph Leich und Sänger/Gitarrist Frank Spilker haben auf ihrer EP Fickt das System! den Rocksound mit Soulgroove repariert. Gefiltert fließen ein: Hendrix, Pink Floyd, Motown und Fehlfarben. Spilker nölt und nuschelt dazu Texte, die mit der Musik solche Interferenzen bilden, daß man sie immer nur in Bruchstücken versteht. Die aber machen Appetit.

Im Magnetfeld zwischen Erzählung und Parole müht und strampelt sich Spilker um unsere Herzwellen. Mit Erfolg, denn der Schmalspur-Radikalismus des Titel- Slogans zerfließt dank der dekonstruktiven Textarbeit Spilkers in Sympathie-Boni. Überhaupt liegt der Begriff des Dekonstruktivismus als populäre Praxis wie ein Teppich unter Hamburgs neuen Textschmieden.

Sei es Cpt. Kirk & oder Blumfeld, Huah! oder eben Die Sterne, sie alle entstellen die banale Ansprache der Popmusik durch die Lösung stereotyper Verkettungen und schaffen so neues Verstehen - ja vielleicht neues Denken? Natürlich überläßt dieser Arbeitsstil dem Hörer einen wesentlichen Teil dieses Literaturspiels. Geliefert wird ein System, offen für die individuelle Praxis.

Die Bemühungen von We Smile sind da noch nicht ganz so weit gediehen. Schließlich haben sie auch erst kürzlich ihre Wortbeiträge vom englischen Formelteufel exorziert. Doch auch ihre Evolution führt zu mehr Güte. Auf der Maxi Kind und Kegel, die eigentlich mehr eine Ankündigung ihrer im September erscheinenden neuen LP Für die Anderen ist, wiederlegen sie die Annahme, ihr schwer melodiöser Anglo-Pop ließe sich nicht auf deutsche Worte übertragen.

Die Band, die als einzige aus dem Goldenen Zeitalter bisher richtige Pop-Ohrwürmer zu Wege gebracht hat, bietet nach ihrer Häutung Geschichten aus alltäglichem Realismus, die kurz, verdaulich und mit hohem Identifikationsfaktor beladen sind. Norbert Müller, erster Lächler unter Gleichen, hat in seinem auf- und abwogenden Gesang inzwischen auch eine Sicherheit gefunden, die nunmehr nach Stil und nicht mehr nach der Förmlichkeit klingt, die für die Band vor allem live früher immer so charakteristisch war.

Bleibt man bei der olympischen Metapher, so hat der Band-Stützpunkt in der Neuen Gröningerstraße mit den Sternen einen Medaillenaspiranten über 50 Meter Freistil und mit We Smile eine Goldhoffnung für den Stabhochsprung. Und die Mannschaft ist noch gut für diverse Überraschungen. Till Briegleb

Die Sterne, Fickt das System!, Nur Mailorder: L'Age D'Or, Neue Gröningerstr. 10, 2 Hamburg 11

We SMile, Kind und Kegel, LADO/NTT