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Erste Siedler auf der Teerhof-Insel

■ Vom sterilen Charme „maritimen Wohnens“ in Bremen / Ein Traum aus roten Ziegeln und Granit

Noch ragen die Baukräne auf dem Teerhof steil in die Luft und zeugen weit sichtbar von Wohlstand und Bauboom. Noch wachen eifrige Bauarbeiter mit Argusaugen darüber, daß keine Unbefugte das Gelände von der falschen Seite betritt. Noch ist für die ersten Siedler auf der Teerhofinsel die Welt am Bauzaun zu Ende. Doch schon schützen die Insel-Pioniere die neu erworbenen Häuser zwischen Pfützen, Baggern und Sand mit Alarmanlagen und schmücken den sterilen Charme ihrer ziegelrot gefliesten, von hohen Mauern umgebenen Vorgarten-Terrassen tapfer mit rot blühenden Geranien.

Werner Schorling, Geschäftsführer der Teerhofgesellschaft, hat einen Traum aus Ziegeln und blau-grauem Granitpflaster. Nach acht Jahren Planung und Bauzeit soll er endlich Wirklichkeit werden. Bäume kommen in diesem Traum nicht vor: „Keine Beschattung“ für die steinerne Insel, stattdessen „Fischgräten“ aus poliertem Granit, die die Insel in Längs-und Querrichtung durchziehen werden. Die letzten Erlen auf dem Teerhof, die in der ursprünglichen Planung erhalten bleiben sollten, fielen auf mysteriöse Weise den Baggern zum Opfer.

Auch ob — wie ursprünglich geplant — ein einsamer Baum die Fußgängerbrücke zur Innenstadt bewachen wird, ist für Schorling inzwischen „fraglich“. Spielplätze, auch Sandkästen, sind auf der Insel nicht vorgesehen. Doch dafür ist der ganze Innenraum — zumindest für den Geschäftsführer der Teerhofgesellschaft — „ein großer Spielplatz ohne Spielgeräte“.

Mit der kreativen Gestaltung des steinernen Teerhofs hat seine Gesellschaft ein Bremer Pla

Das schönste am Teerhof: Der Blick auf die Altstadt-Seite der WeserFotos: Katja Heddinga

nungsbüro betraut: „Daß alles so ein bißchen nett aussieht.“ Neun in Bremen und umzu beheimatete Architekten zeichnen verantwortlich für die Bebauung eines — so die Präambel des Bauwettbewerbs — „der schönsten Areale Bremens und den formal starken Inselkörper, welcher das Wirken der Elemente Wasser und Wind erlebbar weden läßt“.

Unter dem Motto „maritimes Wohnen im Herzen der Stadt“ entstanden Maisonette-Wohnungen, Appartements und Wohnstudios für den gehobenen Anspruch. 200.000 Mark kostet das

38-Quadratmeter Apartement im siebengeschossigen Wohnturm, dem höchsten Bauwerk auf der Insel. Die 145 Quadratmeter große Atelierwohnung unter dem Dach ist für 833.000 Mark noch zu haben. Das Marmorbad gehört zur Standardausrüstung der Teerhof- Wohnungen. Die meisten Käufer nehmen es gern, berichtet Schorling. Marmor sei wohl ein „guter Werkstoff — vor allen Dingen ein teurer“.

Cafes, ein Restaurant und Läden sollen Schorlings steinernen Traum beleben: „Boutiquen, Kunstgalerien, vielleicht ein

hier bitte das Foto mit

dem Bauarbeiter und dem

Blick aus dem Fenster

Goldschmied — aber sicherlich kein Aldi“. Wer sich dort ansiedeln will, muß der Teerhofgesellschaft sein Finanzierungskonzept vorlegen. So will der Geschäftsführer verhindern, „daß eines der Cafes nach einem Jahr schon schließen muß“.

„Damit das keine rote Brühe wird, hat jeder Architekt für seine Ziegel ein anderes Rot gewählt“, macht der Geschäftsführer auf ein kaum warhnehmbares Detail aufmerksam. Eine Vorgabe der anspruchsvollen Stadtplaner, ebenso wie Sattel- und Mansardendächer, Fenster- und Balkongrößen. „Strombegeleitend“ haben die Architekten gebaut — und gegenüber der Altstadt erhebt sich nun „auf dem schiffrumpfartigen Gesamtkörper“ eine glatte, von wenigen Durchlässen unterbrochene Fassade.

Etwa 180 der 220 Wohnungen sind nach Auskunft des Geschäftsführers inzwischen verkauft. Der Preis im oberen Drittel relativiere die Nachfrage. Der Quadratmeterpreis, der am Anfang zwischen 3.000 und 5.000 Mark gelegen habe, habe sich im letzten Jahr um 500 Mark erhöht. Im „Wohnturm“ mit der Aussicht auf Weser und Innenstadt gilt die Faustregel: Je höher, desto teurer. Hier befinden sich auch die einzigen Ein- und Zweizimmerwohnungen auf dem Teerhof. Die Gesellschaft hat „bewußt nicht mehr kleine Wohnungen geplant, um die Fluktuation kleiner zu halten“.

Den Käuferkreis, der sich für die Teerhof-Wohnungen interes

siert, hat Werner Schorling schnell charakterisiert: Hausbesitzer aus dem Umland oder vom Bremer Stadtrand im Alter zwischen 45 und 55, denen ihre Wohnung, nachdem die Kinder weggezogen sind, zu groß geworden sei. Ein Drittel der Käufer seien Nicht-Bremer, die sich eine der Wohnungen im Innenstadtbereich sichern. Drei Viertel der Käufer sind „Selbstnutzer“, schätzt Schorling. Kinder werden auf der autofreien Insel zunächst nur wenige aufwachsen, doch in der „Erben-Generation“, meint der Geschäftsführer, könne sich das schnell ändern. Auch Schorling selbst hat sich auf der Insel „natürlich“ ein Appartement gekauft, für das seine 15 und 17 Jahre alten Kinder bereits Interesse angemeldet haben.

Vier bis sechs Wochen länger als geplant mußten Teerhofbewohner warten, bis sie das neue Eigenheim beziehen konnten. Eine Verzögerung, die Geschäftsführer Schorling normal findet. Nur KundInnen mit Sonderwünschen müßten länger warten, sagt er. Die Teerhof-Gesellschaft will nichts dem Zufall überlassen. Selbst die „Erstgestaltung“ der steinernen Vorgärten will sie den Anwohnern abnehmen. Berankte Metallzäune auf den Ziegelmauern sollen die Anwohner vor den Blicken neugieriger PassantInnen schützen. Und wer seinen Vorgarten unbedingt selbst bepflanzen möchte, kann dies, so Schorling, ruhig tun. Nur Kartoffeln anbauen darf er nicht. Diemut Roether

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