Querelen bei den Liberalen

■ Vorsitzende von Braun wegen »Führungsschwäche« im Fadenkreuz interner Kritik

Berlin. Die Berliner FDP agiert zur Zeit kopflos. Während die Vorsitzende Carola von Braun in Dänemark weilt, gärt in der Partei der Ärger über ihre mangelnde »Richtlinienkompetenz« und »Führungsschwäche«. Im Vorstand werden zur Zeit die notwendigen Stimmen gesammelt, um eine Sondersitzung einzurufen, der Kreisverband Zehlendorf hat gar den Rücktritt gefordert. Jüngster Anlaß der Kabale ist das in den Augen vieler Parteimitglieder zu lasche Agieren ihrer Vorsitzenden in der Affäre um die Bespitzelung zweier hoher Parteimitglieder. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Klaus Rösch hatte ein Detektivbüro damit beauftragt, den Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski und dessen Parteifreund Hermann Rintel auszuforschen. Frau von Braun wollte die rechtliche Klärung des Konfliktes abwarten, bevor sich die Parteigremien damit befassen. Mit dieser Haltung zog sie jedoch reichlich Unmut auf sich. Der ausgespähte Mleczkowski sieht gar keinen Bedarf für eine rechtliche Klärung, es könne folglich sofort über disziplinarische Maßnahmen gegen Rösch befunden werden. Auch von seiten der Bundespartei sei bereits schnelles Handeln angemahnt worden. Das Mitglied des Bundesvorstandes, Susanne Thaler, ist fest entschlossen, die Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens sehr zügig zu entscheiden. Frau von Braun wird also notfalls ihren Urlaub unterbrechen müssen. Wenn sie zurückkommt, kann sie sich noch einiges mehr anhören, denn für Mleczkowski ist der Spitzelkonflikt nur »die Spitze eines Eisberges«. Denn während in den Westgliederungen der FDP die Routine wie gehabt weiterginge, seien die Strukturen im Osten zusammengebrochen. Dort herrscht, nach Ansicht des Ostabgeordneten Werner Wiemann, Verdrossenheit, die Partei äußere sich nur mit Konzepten von vorgestern. Der Mitgliederschwund der FDP von 7.500 bei der Vereinigung auf aktuell 4.700 geht zum Großteil zu Lasten der Ostbezirke. Um diesem Trend entgegenzusteuern, wird eine programmatische Diskussion gefordert in der den Problemen des Ostteils Berlins mehr als bisher Rechnung getragen wird.

Das sie diese Aufgabe nicht angegangen ist, statt dessen mit einem Laisser-faire-Stil die Parteiflügel beruhigt habe, wirft Mleczkowski seiner Vorsitzenden vor. Gleichwohl sieht er zu ihr auf dem nächsten Parteitag am 5. September keine personelle Alternative. Frau Thaler hält es allerdings für möglich, daß im Frühjahr die Zeit für einen Wechsel an der Führungsspitze reif ist. dr