Esoterik boomt!

■ Okkult: „Wo sind die Toten?“ 21.05 Uhr, Tele 5

Herr Homes aus Trier ist Spezialist für „instrumentelle Transkommunikation“. Das bedeutet, er starrt auf einen alten Fernseher, der auf einen toten Kanal eingestellt ist. Mit einem beherzten „Oma, ich rufe dich“, wendet er sich vor laufender Kamera an das optische Rauschen der grieselnden Pünktchen. Stein und Bein schwört er darauf, daß er bereits mehrfach „Kontakt“ mit seiner verstorbenen Großmutter und einem Mann von der NASA hatte.

Nicht minder skurril ist die Demonstration eines weiteren esoterischen Heimwerkers. Herr Sekowski ist Fachmann für „Tonbandstimmen“. Tagelang durchforscht er den Äther nach Mitteilungen aus dem Jenseits. Da er von der Existenz dieser Wesen überzeugt sei, könne er vollkommen beruhigt sterben. Herr Sekowski, steht mit einem Bein im Grab, so Christian Bock in seinem überaus sehenswerten Feature über „Geistes-Gegenwart“: „Wo sind die Toten?“, eine der letzten gescheiten Sendungen des Münchner Privatsenders vor der Umwandlung zum „Deutschen Sportfernsehen“ im September.

Bock bringt genau die richtige Mischung zwischen Daten, Fakten und Beispielen, die plastisch vor Augen führen, was da überhaupt abgeht. Mehr als sechs Millionen Deutsche haben mindestens einmal versucht, Kontakt mit den Toten aufzunehmen. Laut Umfrage des Instituts für Demoskopie, Allensbach, haben die Ostdeutschen im Diesseits mehr Schwierigkeiten und deswegen deutlich weniger Interesse am Jenseits. Dort gibt es noch ein Leben vor dem Tod. Die Esoterikwelle boomt jedoch ohne Ende. „5.000 Jahre Zivilisation“, so Dr. Bauer vom einzigen deutschen Institut für Parapsychologie, „haben nichts daran geändert, daß der Mensch ins Nichts ruft, um zu erfahren, wer er ist.“ Okkultismus ist die „Selbsthilfe des Volkes, dem die Wissenschaft die Aufklärung versagt hat“.

Die Bilder von Seancen, „Kontakten“ und Zeremonien, die Bock uns präsentiert, zeigen zuhauf bekloppte Jenseitsgläubige, so daß der Zuschauer mit dem Lachen nicht mehr mitkommt. „Ich war eine sozialkritische chinesische Prinzessin", offenbart eine Frau ihre Reinkarnation auf dem Düsseldorfer Jenseits-Kongreß. Auf dem Rednerpult spricht man dagegen nicht selbst, sondern der Geist durch einen. Ein 40jähriger Amerikaner „channelt“ ein totes 12jähriges Mädchen, das wunderschön singt. Applaus für das Jenseits erklingt.

„Mediumismus“ ist der Renner. Wer will, bekommt ein Interview mit dem Weltgeist. Sogenannte „Lichtwesen“, die uns die „Realität des Quantensprungs“ predigen, sind auch vor der Kamera gesprächig. Der Mann auf dem Stuhl zappelt, verdreht die Augen und spricht mit verstellter Stimme, als wollte er kleine Kinder erschrecken. Weil das so kratzt im Hals, steht neben ihm ein Glas Wasser.

Konventioneller sind die schwarz gekleideten Grufties, die wir auf den Friedhof begleiten, wo sie einen Totenschädel ausgraben. Sie bevorzugen das klassische Programm: Kerzen, Keller, Knochen. Jemand legt seine Freundin auf den Tisch, bis sie schreit. Das Jenseits ist so vielfältig wie die Gesellschaft. Selten so köstlich amüsiert. Manfred Riepe