Streik bei VW-Mexiko: Alle entlassen

■ Werksdirektor Wellmann feuert 14.289 Arbeiter und droht mit Produktionsverlagerung/ Arbeiter in Puebla fordern 50prozentige Lohnerhöhung und Rücktritt des zu nachgiebigen Gewerkschaftsbosses

Mexiko/Berlin(AFP/taz/ips) — Die 100prozentige Tochter des Volkswagen-Konzerns, Volkswagen de Mexiko, hat alle 14.289 Arbeiter ihres Werks in Puebla entlassen. Das teilte der Vorstandschef des Werks, Martin Josephi Wellmann, am Dienstag mit. Begründet werden die Massenentlassungen mit einem Streik in dem Werk, der am vorletzten Dienstag begonnen hatte.

„Uns hat das unvorbereitet getroffen“, kommentierte die VW-Konzernzentrale in Wolfsburg gestern. Konzernsprecher Blechinger mußte die Journalisten vertrösten: „Es ist im Moment kein Vorstand da, der dazu eine Aussage machen könnte.“ Er warte auf Informationen aus Mexiko. Auch der Konzernbetriebsrat hatte in den Werksferien noch keine weitergehenden Informationen.

Die Arbeiter hatten in der vergangenen Woche in Puebla die Arbeit niedergelegt, um höhere Löhne und den Rücktritt ihres Gewerkschaftsvertreters Gaspar Bueno Aguirre zu erzwingen. Die Streikenden beschuldigten ihn, die Interessen der Arbeiter bei den letzten Tarifverhandlungen Anfang Juli verraten zu haben. Gewerkschaft und Unternehmen hatten sich damals auf Gehaltserhöhungen von 15 Prozent geeinigt. Zusätzlich sollen die Leistungszulage um fünf und die Sozialleistungen um drei Prozent steigen. Die Gewerkschaft hatte ursprünglich eine Anhebung der Löhne um 35 Prozent gefordert. Die Arbeiter wollen dagegen 50 Prozent mehr.

VW-Boss Wellmann drohte der Belegschaft, das seit 27 Jahren in Puebla 130 Kilometer östlich der Hauptstadt angesiedelte Unternehmen könne innerhalb Mexikos oder sogar in ein anderes Land verlagert werden. Die Schließung könnte „endgültig“ sein. Wegen des Arbeitskonflikts habe der Betrieb bisher Verluste in Höhe von etwa 100 Millionen Dollar (rund 150 Millionen Mark) gemacht. Der Streik koste VW täglich weitere fünf Millionen Dollar. Vertragliche Verpflichtungen mit Unternehmen in den USA und Kanada könnten nicht eingehalten werden.

Da die Arbeiter unversöhnlich seien, werde das Werk geschlossen und von der Polizei bewacht, so der Werkschef. Arbeiter berichteten, daß die Lage von der Geschäftsführung vorher durch Entlassung von oppositionellen Gewerkschaftern zusätzlich angeheizt worden sei. Das zuständige Arbeitsgericht muß innerhalb von elf Tagen die Entlassungen überprüfen. VW werde nach gewonnenem Prozeß einige der Gefeuerten zu schlechteren Bedingungen wieder einstellen.

Während Wellmann Gespräche mit den Streikenden ausschloß, kündigte der umstrittene Gewerkschafter Bueno Aguirre an, er werde versuchen, umgehend Verhandlungen mit der Unternehmensleitung aufzunehmen. Jeder Tag, der nutzlos verstreiche, sei für die Arbeiter weder psychologisch noch wirtschaftlich tragbar. Seinen Angaben zufolge lehnten nur rund 600 Gewerkschafter und einige gewerkschaftsfremde Gruppen der Arbeiter den von ihm ausgehandelten Tarifvertrag ab. Diese wollten dem Ansehen der Gewerkschaft schaden. ten