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Mit Peffer aus der Tanzmaschine

■ Diese Woche zu Gast beim Festival »Heimatklänge« im Tempodrom: Rara Machine aus Haiti und New York

Es quietscht, es schiebt, es schwitzt und lacht, es moved grooved, wackelt mit dem Arsch, schmeißt die Arme, tanzt, trinkt sein Bier, unterhält sich unbeschwert. Klischee hin oder her, so geht es nun mal zu zur Zeit im Tempodrom. Es könnte in Salvador Bahia sein oder Trinidad, während des Karnevals, so gepackt voll, so geil und heiß ist es manchmal.

Nicht sein könnte es in New York, dazu ist es zu friedlich, zu relaxed. Es hat tatsächlich etwas von einer Utopie, der Utopie des entspannten Miteinanders der verschiedensten Kulturen, Rassen und Hautfarben.

Der Berliner Sommer wäre ohne dieses »Heimatklänge« genannte Festival populärer Weltkulturen nicht mal mehr die Hälfte wert. Von Mittwoch bis Samstag abend drängeln sich bis zu 4.000 Menschen vor der Open-air-Bühne am Tempodrom. Gut, manchmal wird einem dort etwas schwindelig vor Menschen, aber das kann uns so individualistisch sozialisierten Mitteleuropäern auch mal ganz gut tun.

Im übrigen bleibt der Eindruck, daß langsam aber sicher ein Geschmackswandel hinsichtlich populärer Hörgewohnheiten stattfindet. Vielen, die hierher kommen, ist ganz offensichtlich das, was unsere glattgebügelten Radios so an Musik tagtäglich verbreiten, zu fade. Die suchen was mit Pfeffer. Und das bekommen sie hier geboten, dazu noch umsonst.

Diese Woche zum Beispiel eine haitianische Band aus New York. Die »Rara Machine« des in Port-au- Prince geborenen Sängers und Perkussionisten Cliffort Silvain. Trotz der extrem harten Haltung der US- Regierung gegenüber haitianischen Bootsflüchtlingen, die Repression und Hunger zu entkommen versuchen, ist die haitianische Gemeinde New Yorks riesig. Allein in NYC leben mehrere hunderttausend Haitianer, die ihre noch sehr stark durch afrikanische Traditionen beeinflußte Kultur im Schmelztiegel New Yorks sozusagen internationalisieren. Ein neues Produkt dieses kulturellen Assimilationsprozesses ist eben die Rara Machine. Eine 14köpfige Band, die versucht, afrohaitianische Rhythmuspower zu verbinden mit Rock und Jazzeinflüssen aus dem Big Apple.

Mit dem Jazz, da haperte es am Mittwoch abend allerdings noch ein bißchen, auch wenn Tenorist und Sologitarrist offensichtlich wesentlich mehr als drei Harmonien beherrschen. Aber was soll's. Jazz oder nicht ist mir am Mittwoch abend eigentlich wurscht. Trotz nur drei Stunden Schlafs in der Nacht zuvor werde ich bei der Rara Machine (zu deutsch heist das übrigens: Tanzmaschine) wieder hellwach.

Ihre besten Momente hat die Band immer dann, wenn sie sich auf ihr afrikanisches Erbe besinnt und die für haitianische Musik so typischen schnellen Beats spielt, afrikanische Wechselgesänge auf kreolisch zelebriert und dazu tanzt und tanzt und tanzt. Und noch einmal tanzt, alles nach dem Motto: Let the drums talk and the bodies swing. »C'est ca«, sagt der Sänger in einem fort, und man kann ihm da nicht widersprechen. Andreas Weiser

Noch bis Samstag auf dem »Heimatklänge«-Festival im Tempodrom, an der Kongreßhalle, Beginn 21.30 Uhr. Sonntag nachmittag gibt es das schon traditionelle Workshopkonzert mit Moderator Johannes Theurer von Radio 4 U.

Plattentips zu haitianischer Musik: The Rara Machine: Breakin the chain, Shanachie Records 1991; Konbit: Burning rhythms of Haiti, A+M Records 1989.

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