Vom Feuerwehrzug bis zum Beethovenhaus

■ Der Bonn-Vertrag: Was der Bund der kleinen Schwesternstadt am Rhein alles zahlt/ Weit über hundert Millionen Mark im Jahr für bauliche und kulturelle Leistungen/ Dafür gibt's kein Sonderbaurecht im Vertrag, während Berlin das unterschreiben mußte

Bonn/Berlin. Ungleiches Recht gilt offenbar für Bonn und Berlin: Der — vorige Woche vom Senat und dem Kabinett unterschriebene — Hauptstadt-Vertrag zwischen Berlin und dem Bund ist vor allem von Sonderrechten des Bundes und von Kompetenzverlusten der Berliner Bezirke geprägt. Die finanziellen Leistungen des Bundes wurden jedoch mit einem vagen Hinweis auf Verpflichtungen, die man später regeln werde, gestreift. Ganz anders hingegen sehen die Vereinbarungen aus, die Bonn 1975 und 1989 anläßlich des »weiteren Ausbaus als Hauptstadt« mit der Bundesregierung geschlossen hat: Der derzeit gültige Bonn-Vertrag von 1989 listet auf fünf Seiten die finanziellen Verpflichtungen des Bundes auf, während der Absatz »Aufgaben der Stadt« bequem auf eine halbe Seite paßt.

So werden in dem Bonn-Vertrag von 1989, der der taz vorliegt, eine Reihe von kulturellen Einrichtungen namentlich aufgeführt, für die der Bund Zuweisungen in Höhe von 70 Prozent des Bedarfs gewährt, um, wie es heißt, »eine Qualität sicherzustellen, die der herausgehobenen Bedeutung entspricht«. Zu den förderungswürdigen Institutionen der 280.000-Einwohner-Stadt (mit allen Vororten) gehören etwa die Oper, das Schauspiel und das Orchester der Beethovenhalle, die Veranstaltungsreihe »Bonner Sommer«, das städtische Kunstmuseum, das Haus der Sprache und Literatur und die von Bonn veranstaltete Berliner Theaterwoche. Eigens in einer Anlage aufgeführt sind auch die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, die des an Bonns größten Sohn gemahnenden Vereins Beethovenhaus und des Rheinischen Landesmuseums.

Über eine pauschalisierte Zuweisung können sich weitere Bonner Institutionen freuen. So erhält der Oberbürgermeister für seinen Repräsentationsfonds Geld, wie auch die Beethovenhalle selbst. Förderungswürdig sind auch vier Parkanlagen von den Rheinauen bis zum Hofgarten, sowie die Stadtplanungsbehörde und das Bonner Katasteramt. Für alle Zuweisungen zusammen gibt der Bund die für diese kleine Stadt beträchtliche Summe von 92 Millionen Mark im Jahr aus, eine Steigerungsrate von drei Prozent jährlich ist vorgesehen.

Darüber hinaus zahlt der Bund der Stadt Bonn Einzelzuschüsse von 40 bis 50 Prozent des Zuschußbedarfs für verschiedene Aufgabenbereiche, die, wie es im Vertrag heißt, »für die Tätigkeit der Bundesorgane in Bonn oder zur Repräsentation der Stadt unerläßlich sind«. Das ist so manches, von der Unterhaltung kultureller Einrichtungen über die »Gestaltung und Unterhaltung eines repräsentativen Stadtbildes« und die Betreuung von Besuchern der Bundesorgane des Bundespresseamtes bis zur Unterstützung der Rundfunk- und Fernsehanstalten und der Unterhaltung von Sicherheitseinrichtungen für die Bundesorgane. Diese Zuschüsse gibt es für alle Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, aber auch für den damit zusammenhängenden Erwerb von »Ersteinrichtungen«, sprich, bestehender Bauten, die teurer als 100.000 Mark sind — was fast auf jeden Neubau zutreffen dürfte.

Der Bund finanziert darüber hinaus den Erwerb von »Fahrzeugen für den schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr« und von »Großgeräten für das Feuerlöschwesen«, aber auch den »Erwerb von Kunstgegenständen für das Städtische Museum«. Dazu gibt es eine gesonderte Einzelvereinbarung. Schließlich zahlt der Bund für allgemeine hauptstadtbedingte Sonderbelastungen noch 12 Millionen Mark jährlich. Alles zusammen läßt bei Lesern des Vertrages das Verständnis für die Bonner Umzugsgegner spürbar wachsen. Reine Bundesaufgaben — dazu gehört etwa der Ausbau der Adenauerallee zur Kunstmeile — werden darüber hinaus von Bund finanziert, stehen aber nicht im Hauptstadtvertrag.

Die Stadt Bonn muß ihrerseits dem Bund jährlich eine Übersicht der förderungsfähigen Investitionen vorlegen. Der jedoch kann sein Einvernehmen zur Förderung nicht versagen, wenn es sich um Investitionen handelt, die er selbst veranlaßt hat und die für ihn finanzwirtschaftlich vertretbar sind. Ein Kuratorium, das mit Bundes- und Landesvertretern gleichmäßig besetzt ist, bestimmt, welche kulturellen Einrichtungen vom Geldsegen profitieren.

Nur ein kleiner Pferdefuß ist dabei: Aufwendungen der Stadt für Maßnahmen, die sich »gegen die Interessen des Bundes richten«, sind von den zuschußfähigen Aufwendungen abzuziehen. Und: Der Bund behält sich das Recht zur Prüfung und zur Einsicht in die Bücher der Stadt vor.

Dafür ist jedoch der Vertragsteil, der den Komplex »Aufgaben der Stadt« umfaßt, im Gegensatz zum Berliner Vertrag in erfreulicher Kürze gehalten und beschränkt sich im wesentlichen darauf, die »vertrauensvolle Zusammenarbeit« der Stadt mit dem Bund zu betonen. Zudem verpflichtet sich Bonn, jene oben aufgeführten, vom Bund bezuschußten Einrichtungen, die für die Tätigkeit der Bundesorgane unerläßlich sind, zu schaffen und zu unterhalten. Die Stadt wird dem Bund »bei seinen Baumaßnahmen, seinen sonstigen Investitionen und Planungen unterstützen und die Bundesinteressen berücksichtigen«. Von einer Änderung des Baugesetzbuches zugunsten des Bundes ist — im Gegensatz zum Berliner Vertrag — nicht die Rede. Eva Schweitzer