Sicherheit in Bus und Bahn besser als ihr Ruf

■ Raubüberfälle gingen um ein Drittel zurück/ BVG will Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern/ Frauen bewältigen Konflikte mit Erfolg und müßten beim Sicherheitspersonal stärker berücksichtigt werden

Berlin. Die Polizei hat eine gute Nachricht: Die Raubüberfälle in den öffentlichen Verkehrsmitteln werden seltener. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist ihre Zahl von 73 pro Monat auf 50 zurückgegangen, berichtete gestern Landeskriminalpolizeidirektor Wolfgang Schinz auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Berliner Verkehrs-Betrieben (BVG). Entgegen des Eindrucks in der Öffentlichkeit seien Frauen und ältere Leute nur selten Opfer. 87 Prozent der Ausgeraubten seien Jungen und Männer, überwiegend im Alter zwischen 14 und 25 Jahren.

Derzeit habe auch die Zahl der tätigen Taschendiebe abgenommen. »Die sind in Barcelona«, vermutete der Landeskriminalpolizeidirektor. Nach der Olympiade werde deshalb die Zahl der angezeigten Taschendiebstähle mit aller Wahrscheinlichkeit wieder auf 300 bis 400 Fälle monatlich steigen. Im Gegensatz zu den Raubüberfällen nähmen die Griffe in fremde Taschen nicht ab. Gegen dieses Delikt könne sich der Fahrgast allerdings schützen. Entsprechende Broschüren gebe es in jeder Polizeidienststelle.

Die BVG will die Sicherheit und das Wohlbefinden ihrer Fahrgäste weiter verbessern, sagte gestern der Direktor des Nahverkehrsbetriebes, Konrad Lorenzen. Zur Zeit seien etwa 1.300 Leute als »aktives Sicherheitspersonal« beschäftigt. 500 ABM-Kräfte sind als Fahrgastbetreuer, 300 als Kontrolleure, 246 als Sicherheitsmitarbeiter und 108 im Ordnungsdienst tätig. Dazu zählen auch 63 Polizeibeamte im Sondereinsatz. Weil unzureichend beleuchtete Bahnhöfe, Schmutz auf Bahnsteigen und in Zügen, undurchschaubare Betriebsabläufe und leere Bahnhöfe Fahrgäste zusätzlich verunsicherten, soll auch hier Abhilfe geschaffen werden, sagte Lorenzen.

Vor allem müssen die Sicherheitsbedürfnisse der Frauen ernst genommen werden, betonte Eva Müßener von der Studiengesellschaft Nahverkehr. Mit 55 Prozent der Fahrgäste stellten sie die größte Gruppe unter den Fahrgästen. Sie seien als Zielgruppe für die BVG deshalb besonders interessant. Sie bewegten sich aber anders als Männer durch die Stadt, weil Frauen weniger Auto fahren, fast immer die Kinder versorgen und viel transportieren müßten. Frauen seien wiederum von sexueller Belästigung in Bus und Bahn besonders massiv betroffen. Nur in einem Prozent der Fälle seien Männer die Opfer. Doch das Delikt werde kaum berücksichtigt, da die Täter nur selten angezeigt würden.

Frauen versuchten der Belästigung zu entkommen, indem sie abends das Auto bevorzugten, das Taxi benutzten, sich abholen ließen oder auch gar nicht aus dem Haus gingen. Nachttaxis oder U-Bahn-Waggons nur für Frauen würden zwar kurzfristig Abhilfe schaffen, lösten das Problem aber nicht, da Frauen weiter ausgegrenzt würden, sagte Müßener.

Bei ihren Beobachtungen an Brennpunkten wie dem Bahnhof Zoo, dem Kottbusser Tor und vergleichbaren Bahnhöfen im Ostteil der Stadt ist der Studiengesellschaft aufgefallen, daß Frauen Konflikte anders lösten als Männer. Ob nun als Mitarbeiter des Sicherheitspersonals oder als Fahrgäste — in gespannten Situationen würden sie mit Erfolg beschwichtigen. Bei dem Beobachten von Konflikten in der Bahn — beispielsweise wenn Ausländer provoziert würden — sei aufgefallen, daß, wenn sich überhaupt Fahrgäste einmischen, in der Regel erstaunlicherweise Frauen die Initiative ergriffen. Müßener zieht daraus unter anderem den Schluß, beim Sicherheitspersonal mehr Frauen einzustellen. Dirk Wildt