Italien: Neuer Akt im Sommertheater

Außenminister Enzo Scotti zurückgetreten/ Manöver für künftige Leitung der Christdemokraten  ■ Aus Rom Werner Raith

Enzo Scotti, Christdemokrat und seit gerade drei Wochen Außenminister in der neuen Regierung des Sozialisten Giuliano Amato, hat für eine spektakuläre Wende im laufenden Sommertheater gesorgt: Wenige Stunden, nachdem die Regierung für ihren umstrittenen Sparhaushalt — 40 Milliarden DM mußten durch Verkäufe von Staatseigentum, vor allem aber durch massive Sondersteuern hereingeholt werden — das Vertrauen des Parlaments erhielt, teilte er seinen Rücktritt mit.

Dabei sah sich der Außenamtschef keineswegs durch persönliche Skandale oder Mißerfolge zu seinem Schritt gedrängt. Aufgrund seiner Arbeit als Innenminister in der vergangenen Regierung gilt Scotti vielmehr als eines der wenigen Highlights in der italienischen Politik. Ausschlaggebend für seine Demission war statt dessen ein Beschluß seiner eigenen Partei: Diese verlangt neuerdings von ihren Mitgliedern, ihr Parlamentsmandat niederzulegen, sobald sie Minister werden. Eine Forderung, die von der breiten Öffentlichkeit als ein richtiger Schritt hin zu größerer Gewaltenteilung und als Beschränkung des für Italien seit Jahrzehnten verderblichen Wahl-Klientelismus gutgeheißen worden war: Die Democrazia cristiana sah sich wieder im Aufwind.

Der Schritt Scottis wird daher aber auch von den meisten Beobachtern als eine offene Herausforderung an die Parteispitze gesehen. Da DC- Chef Forlani in den letzten Monaten zwar immer wieder seinen Rücktritt erklärte, die Spitze der Partei sich jedoch ebenso beharrlich weigerte, diesen zur Kenntnis zu nehmen, zeigte der Abgetretene in den letzten Tagen erneut seine Bereitschaft, weiterhin oberster Christdemokrat zu bleiben. Scottis Manöver durchkreuzt diese Strategie — und könnte ihm selbst den Weg an die Parteispitze freimachen.

Dazu paßt, daß auch ein enger Vertrauter des diesmal von der Regierung ausgeschlossenen siebenfachen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, Außenhandelsminister Claudio Vitalone, nahezu zeitgleich mit Scotti erklärte, er werde seinen Senatorensitz trotz Beibehaltung seines Ministeramtes nicht aufgeben — eine ebenfalls gnadenlose Herausforderung seiner Parteioberen. Scotti, der nominell dem „Großen Zentrum“ des ehemaligen Fraktionschefs Antonio Gava angehört, in letzter Zeit aber näher an die Parteilinke um den ehemaligen Ministerpräsidenten Ciriaco De Mita herangerückt ist, könnte mit seinem Schritt auf die Andreottianer zielen, die beim nächsten Parteitag im Herbst ausschlaggebend für die Wahl des Parteisekretärs sein werden.

Regierungschef Amato, der sofort eine Solidaritätsadresse von Staatschef Oscar Luigi Scalfaro erhielt, übernahm das Außenamt „bis auf weiteres“ selbst, um eine offene Regierungskrise zu vermeiden. Die Christdemokraten wollen in einer Sondersitzung von Fraktion und Parteispitze nächste Woche über ihre Einstellung zu den renitenten Minister-Parlamentariern beraten.