Hausfrauen malochen mehr als alle anderen

■ Rente für Hausfrauen und -männer gefordert / "Neue Hausarbeit" Pflichtfach für SchülerInnen

Haus- und Kindererziehungsarbeit ist auch in den neunziger Jahren weltweit noch immer in erster Linie Frauensache. Die gesamte täglich in den Haushalten der Bundesrepublik erbrachte Arbeit wird auf 100 Millionen Stunden geschätzt. Eine Hausfrau arbeitet im Durchschnitt 54 Stunden pro Woche — soviel wird in keiner anderen Berufsgruppe malocht. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat berechnet, daß eine Voll-Hausfrau ohne Kinder bei 45 bis 55 Wochenstunden auf ein Monatsgehalt von 2712 Mark bis 3575 Mark käme. Die weltweit erbrachte Arbeit in Haushalten wird auf 30 bis 50 Prozent des Bruttosozialproduktes geschätzt. Die Bundesrepublik hat daran einen Anteil von 1200 Milliarden Mark pro Jahr.

Umso unverständlicher, daß Politik und Wirtschaft diesen Bereich nach wie vor unterbewerten und mangelhaft unterstützen, findet Maria Thiele-Wittig, amtierende Präsidentin des Internationalen Verbandes für Hauswirtschaft (IVHW) und Professorin für Haushaltswirtschaft in Duisburg. Während des 17. Welthauswirtschafts-Kongresses in Hannover machte Thiele-Wittig deutlich, daß Haushalt und Familie mehr sind als wichtiger Wirtschaftsfaktor und soziales Auffangbecken für die Versäumnisse des Staates.

Damit fand sie sich während des fünftägigen Fachkongresses, der am Freitag zu Ende ging, in guter Gesellschaft mit der Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) und der niedersächsischen Frauenministerin Waltraud Schoppe (Grüne). Einmütig erklärten die beiden Spitzenpolitikerinnen die Aufwertung von Haus- und Familienarbeit zum Ziel ihres Wirkens. Vor den überwiegend weiblichen 1400 ExpertInnen aus 80 Ländern nannte Süßmuth eine bessere soziale Absicherung von in Haushalten arbeitenden Frauen und Männern als vordringliches Ziel der Familienpolitik. Dazu zählen nach ihrer Ansicht unter anderem eine gesetzliche Unfallversicherung sowie eine Rente für Hausfrauen und —männer.

Gemeinsam mit ihrer amerikanischen Kollegin Janice Hogan von der Universität Minesota forderte Thiele-Wittig eine Politisierung von Haushalt und Familie: „Der Erwerbsbereich muß Rücksicht auf die Familie nehmen. Gleichzeitig müssen die Männer mehr Verantwortung übernehmen, ohne Benachteiligungen im Beruf zu erleiden.“ Für die Dauer ihrer Amtszeit formulierte die 54-Jährige, daß sich der IVHW mit seinen 200 Organisationen und 2500 Einzelmitgliedern mehr als bisher in die politische Debatte einschalten will. Außerdem forderte sie mehr Bildung, mehr Forschung und mehr Beratung in Sachen Haushalt und Familie.

Dennoch gehen in Deutschland die Zahlen in der beruflichen als und akademischen Hauswirtschaftsausbildung zurück. „Wir kriegen Druck von allen Seiten und kämpfen gegen Windmühlen“, beschreibt Thiele-Wittig die aktuelle Situation. Sie bangt um den Fortbestand des Faches, das noch immer auf „Pudding- Abitur“ und „Kochen in der Schule“ reduziert wird. „Haushaltslehre wird an unseren Schulen und Hochschulen im Konkurrenzdruck der Fächer immer wieder zurückgedrängt“, bedauert sie. Zu Unrecht. In Amerika als „home economics“ bekannt und höher geschätzt, dient Hauswirtschaftslehre nicht nur die Befriedigung von Lebensbedürfnissen und der Alltagsbewältigung, sondern auch dem Gesünder Leben. Hauswirtschaft bewältigt ökologische und ökonomische Realitäten und ist Schnittstelle immer komplexer werdender Lebensbereiche. Daher fordert Thiele-Wittig die Vorbereitung gerade der jungen Generation auf den immer unübersichtlicheren Alltag durch das Pflichtfach „Neue Hausarbeit“: Für Schülerinnen und Schüler. nrp