Studenten sind attraktive Zielgruppe für Sekten

■ Projektgruppe der FU Berlin legte Studie zum Einfluß von Sekten auf Studenten vor/ In Berlin sind rund 160Gruppierungen aktiv/ Schwerpunkte an Hochschulen liegen im süddeutschen und sächsischen Raum

Berlin. Studenten sind eine besonders attraktive Zielgruppe für die Aktivitäten von Sekten. Nach dem Ergebnis einer Umfrage bei Studentenvertretungen an allen Universitäten und Hochschulen der alten und neuen Bundesländer sind religiöse Sondergemeinschaften an 36Prozent der westlichen und 24Prozent der östlichen Bildungseinrichtungen aktiv.

Es sei die erste Umfrage dieser Art, betonten Mitglieder einer studentischen Projektgruppe der Freien Universität gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin. Schwerpunkte der Aktivitäten von Sekten lägen im süddeutschen Raum, in Rheinland und in Sachsen. Lediglich kleinere Hochschulen mit weniger als 50.000 Studenten sollen kaum mit dem Sekten-Problem zu tun haben.

Mit Ausnahme von Hamburg seien die nördlichen Länder kaum betroffen. In der Hauptstadt versuchten dagegen alle Gruppen eine Vertretung aufzubauen. Professor Hartmut Zinser, Tutor der Gruppe, betonte, daß bis zu 160 verschiedene Gruppierungen in Berlin aktiv seien. Über die Sekten und ihre Mitglieder sei bisher zu wenig bekannt. Die Forscher fordern eine wissenschaftlich weitergehende Untersuchung. Sekten- Forschung müsse aus dem »Dunstkreis« der Kirchen herausgeholt werden. Aufklärungsarbeit sei dringend erforderlich.

Die Tendenz zeige, daß sich das Spektrum der traditionellen Jugendsekten der 70er Jahre, wie Bhagwan, Kinder Gottes oder Hare Krishna zu psychologisch oder christlich auftretenden Gruppen verschoben habe. Mit Abstand am meisten vertreten sei die Europäische Arbeiterpartei, eine weltweit aktive neonazistische Sekte, deren Führer Lyndon La Rouche unter anderem zum US- amerikanischen Ku-Klux-Klan gute Kontakte unterhalte und in Deutschland mit anderen rechtsradikalen Organisationen kooperiere.

An zweiter Stelle folge die „klassische Sekte“ Zeugen Jehovas mit intoleranten Absolutheitsansprüchen. Besonders aktiv sei auch der Bund gegen Anpassung, eine »links-getarnte Psychosekte«, die mit den rechtsextremen Republikanern sympathisiere.

Insbesondere die christlich auftretenden Gruppen lägen »gut im Zeitgeist«, betonte Markus Wende von der Forschergruppe. Aus der Anonymität der Massenuniversitäten heraus vermittelten sie ihren Mitgliedern die Geborgenheit einer geschlossenen Gruppe mit einem festgefügten Weltbild.

Normalerweise würden Menschen nur in bestimmten Lebensphasen in Sekten eintreten, sagte Zinser. Das Studentendasein zwischen dem Austritt aus dem Elternhaus und dem Eintritt in schwer lösbare Arbeits- und Liebesbeziehungen sei die ideale Phase für eine Anwerbung. dpa/taz