Am Dnjestr greift die „dritte Kraft“ ein

Moskau/Chisinau (AFP/taz) — Erst am gestrigen Freitag haben Rußland und Moldova ein gemeinsames Komitee zur Überwachung der Dnjestr-Region gebildet — und schon scheint dieses den Bedürfnissen nicht mehr zu genügen. Nachdem in der ostmoldovanischen Stadt Bendery erneut zwei Menschen getötet und 23 verletzt wurden, wandte sich der moldovanische Präsident Milan Snegur an US-Präsident Bush: Dieser sollte die Entsendung von UNO-Beobachtern in die „Dnjestr- Republik“ unterstützen. Diese mehrheitlich von Russen und Ukrainern bewohnte Republik hatte ihre Unabhängigkeit von Moskau erklärt, weil sie den Anschluß Moldovas an Rumänien befürchtet.

Am Dnjestr sind inzwischen mehrere tausend Soldaten der von Rußland, Moldova und der Dnjestr-Region gebildeten Eingreiftruppen, sogenannte „Weißhelme“, stationiert. Eine ihrer Aufgaben ist es, diejenigen Gruppen auszuschalten, die weder von Moldova noch von der Dnjestr-Republik kontrolliert werden. Diese sogenannte „dritte Kraft“ soll auch eine Gruppe russischer Soldaten, die zu den Friedenstruppen gehören, angegriffen haben.

Lösungen für den zweiten bewaffneten Konflikt auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion sollten am Freitag in Rom gesucht werden. Dort trafen unter der Schirmherrschaft der KSZE die Vertreter Armeniens und Aserbaidschans zu einer erneuten Verhandlungsrunde über die Kaukasus-Enklave Berg-Karabach zusammen. An den Gesprächen werden als „Beobachter“ zum erstenmal zwei Delegierte der mehrheitlich von Armeniern bewohnten, jedoch zu Aserbaidschan gehörenden Region teilnehmen. Bei den bisherigen Verhandlungsrunden war vor allem über die Stationierungsgebiete von Friedenstruppen gestritten worden: Armenien möchte die Truppen um die Enklave herum plazieren, Aserbaidschan besteht darauf, daß die Soldaten an der Grenze zwischen beiden Staaten Stellung beziehen. Der russische Sonderbeauftragte Wladimir Kasimirow, der am vergangenen Wochenende das Gebiet besucht hatte, schlägt dagegen vor, eine Zone von fünf Kilometern Breite um Karabach zu errichten.

Rücktritt des russischen Außenministers?

Die Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta gab sich in ihrer Freitagsausgabe ausführlichen Spekulationen über einen „baldigen“ Rücktritt des russischen Außenministers Andrej Kosyrew hin. Begründung: Der Rücktritt sei „unausweichlich“, denn er werde den Richtungswechsel der Politik von Präsident Boris Jelzin zur konservativen Fraktion besiegeln. Kosyrew war von den Konservativen wegen der Kurilenfrage unter schweren Beschuß geraten, da er in dieser Sache auf eine „unvernünftige und hastige“ Entscheidung hinarbeite.

Präsidentensprecher Wjaschteslaw Kostikow wies die Meldung über einen angeblichen Rücktritt unterdessen zurück. Derartige Berichte gehörten in den Bereich der „politischen Phantasie“. her