: Bush-Saddam: Eine „Zeit der Herausforderung“
■ Trotz der UNO-Berichte über irakische Offensiven gegen die Schiiten im Süden halten sich die USA noch zurück
Washington/New York (wps/AFP/taz) — Vor vierzehn Monaten, nach dem Ende der US-Bodenoffensive im Irak, hatte George Bush von einem endgültigen Sieg gesprochen. Doch vor wenigen Tagen, kurz vor dem zweiten Jahrestag des irakischen Einmarschs in Kuwait, erklärte Saddam Hussein: „Die Mutter aller Schlachten ist noch nicht beendet.“
Das Stehauf-Männchen Saddam könnte dem um seine Wiederwahl bangenden US-Präsidenten noch manche Schwierigkeiten bereiten. Nach der jüngsten dreiwöchigen Konfrontation zwischen den USA und dem Irak, die bisher ohne eine militärische Eskalation ablief, rechnen US-Regierungsbeamte mit einer „Zeit der Herausforderung“, in der Saddam Hussein immer wieder versuchen wird, die nach Ende des Golfkriegs auferlegten Beschränkungen zu umgehen.
Der nächste Anlaß könnte dann gegeben sein, wenn das irakische Regime seine militärischen Angriffe gegen die schiitische Bevölkerung im Süden des Landes weiter verstärkt. Der UN-Berichterstatter für Menschenrechtsfragen im Irak, Max van der Stoel, hat die Regierung in Bagdad am Donnerstag beschuldigt, sie habe ihre Einsätze im Süden Iraks erheblich ausgeweitet, und rief sie zur „sofortigen Einstellung“ der Kämpfe auf. Ihm lagen nach seinen eigenen Angaben „glaubwürdige Berichte“ über eine Zunahme der Angriffe in den unzugänglichen Sumpfgebieten im Süden Iraks vor. Nach diesen Berichten setzte die irakische Armee gegen zahlreiche Dörfer „rücksichtslos“ schwere Artillerie ein. Zudem würde die Gegend einer Handelsblockade unterworfen. Selbst dringliche Hilfslieferungen würden nicht durchgelassen. Mit Drainage-Programmen zur Umleitung der Wasserläufe würden Siedlungen und Pflanzungen ausgetrocknet.
Doch während sich die US-Regierung am Donnerstag hinter die UN-Position stellte, dementierte sie gleichzeitig vorherige Meldungen, wonach die USA innerhalb der nächsten Woche der UNO einen Resolutionsentwurf zu einer eventuellen Militärintervention im Südirak vorlegen wollten. Möglich ist, daß die USA nach Beratungen mit anderen Sicherheitsratsmitgliedern erkannt hat, daß ein solcher Schritt keine Zustimmung finden würde. China, das über Vetorecht verfügt, und mehrere Dritte-Welt-Staaten sind gegen „Einmischung in innere Angelegenheiten“ und wollen sich gegenwärtig nicht mit der Situation der Minderheiten im Irak befassen. US- Beamte sagen aber auch, daß die bestehenden UNO-Resolutionen eine erneute Militärintervention der USA im Irak bereits ermöglichen.
Warum Saddams Widerborstigkeit gerade jetzt wieder wächst — darüber wird in Washington ausgiebig spekuliert. Die einen verweisen auf die vor einem Monat zirkulierenden Gerüchte über einen Putschversuch im Irak; dieser habe Saddam Hussein dazu gezwungen, härter gegen innere Opposition vorzugehen. Die anderen spekulieren, der irakische Präsident nutze den US- Wahlkampf mit seinem Vorrang für innenpolitische Themen aus und sei zu dem Schluß gekommen, Bushs schwache Stellung habe „den Appetit der US-Regierung für eine neue Konfrontation eingeschränkt“. Sein Teilerfolg im Tauziehen mit der UNO um das Landwirtschaftsministerium in Bagdad habe ihn in dieser Haltung bestätigt. Ein Beamter: „Zum ersten Mal konnten die Irakis die Waffenstillstandsbestimmung, nach der nur die UNO entscheidet, was im Irak inspiziert wird und was nicht, durchbrechen.“
Höhergestellte Beamte bestreiten jedoch den angeblichen Sieg Saddams in diesem Streit und bestätigen die Bereitschaft der USA, sich notfalls in eine offene Konfrontation mit dem Irak zu begeben. Doch was genau damit gemeint sein könnte, lassen auch sie offen. Die irakischen Oppositionsführer, die am Mittwoch mit US-Außenminister James Baker zusammentrafen, gingen mit leeren Händen davon. Ihre Forderung, die USA möge die irakische Luftwaffe an Einsätzen im Südirak hindern, wurde abgelehnt — unter Hinweis auf die begrenzte US-Luftwaffenkapazität in der Golfregion. Ihrerseits wiesen die Iraker US-Hoffnungen auf eine „Palastrevolte“ in Bagdad, die zum Sturz Saddams führen könnte, als „Zeitverschwendung“ zurück. D.J.
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