MIT VW-MEXIKO AUF DU UND DU
: VW sucht die Entscheidung

Streik in Mexiko wird von der Belegschaft unterstützt  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — Der Streik der mexikanischen VW-Arbeiter in Puebla wird entgegen den Verlautbarungen des Vorstandsvorsitzenden Martin Josephi-Wellmann von einem Großteil der Belegschaft unterstützt. An Protestversammlungen vor dem Werkstor hatten sich in den letzten Tagen bis zu 4.000 Arbeiter beteiligt, die die Forderungen der Gewerkschaftsopposition nach einer 50prozentigen Lohnerhöhung unterstützten. Die Betriebsleitung und die derzeit amtierende Führung der Betriebsgewerkschaft hatten kürzlich eine Lohnerhöhung von nur 15 Prozent vereinbart.

Nach einer Demonstration von mehreren Hundert VW-Arbeitern in Mexiko-City hat sich auch der mexikanische Arbeitsminister in die Auseinandersetzung eingeschaltet und die Kündigung des Rahmentarifvertrages durch das VW-Management, durch das über 14.000 Arbeiter kurzerhand vor die Tür gesetzt worden sind, als unberechtigt bezeichnet. Das zuständige Arbeitsgericht wird in der nächsten Woche über die Rechtmäßigkeit der Massenkündigung entscheiden, mit der sich das VW-Management des unruhigen, oppositionellen Teils der Belegschaft entledigen will.

Richtig an den Verlautbarungen des VW-Managements in Puebla ist nur, daß der Arbeitskampf von einem heftigen Konflikt innerhalb der VW-Betriebsgewerkschaft ausgelöst worden ist. Die Gewerkschaft hat sich schon vor Jahren von dem korrupten und regierungstreuen mexikanischen Gewerkschaftsbund CTM losgesagt. Um eine Verselbständigung gewerkschaftlicher Bürokratien zu verhindern, wurde ein Rotationsbeschluß in die Satzung geschrieben: Bei den alle drei Jahre stattfindenden Wahlen zur Betriebsgewerkschaftsleitung ist eine Wiederwahl nicht möglich. Eine Kontinuität gewerkschaftlicher Interessenvertretung wird dadurch verhindert. Auch eine kontinuierliche Kooperation der IG Metall oder des VW-Gesamtbetriebsrats in Wolfsburg mit den mexikanischen Gewerkschaftern wird durch den regelmäßigen vollständigen Personalwechsel erschwert.

Die jetzige Gewerkschaftsleitung wurde im letzten Herbst nach einem heftigen innerbetrieblichen Wahlkampf, an dem sich insgesamt 17 verschiedene Listen beteiligten, gewählt. Sie wird offensichtlich nur von einem Teil der Belegschaft als Interessenvertretung akzeptiert und ist nach Aussagen von deutschen Beobachtern überfordert. Angeheizt wurde die Unruhe im Betrieb durch die Pläne von Volkswagen, die Produktion in Puebla wie in den deutschen Werken auf Gruppenarbeit umzustellen. Die Gewerkschaftsleitung spielte bei dem Umstellungsprozeß keine aktive Rolle.

Der latente innergewerkschaftliche Konflikt hat anläßlich des unzureichenden Lohnabschlusses von Anfang Juli sein Ventil gefunden. Nachdem der Vorstandsvorsitzende Josephi-Wellmann mehrmals erfolglos zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert hatte, schwenkte er mit der Kündigung der Rahmentarifvereinbarungen, die gleichbedeutend mit der Auflösung aller Einzelarbeitsverträge ist, auf eine harte Konfrontationslinie ein. Dadurch soll offensichtlich die Entscheidung im Arbeitskonflikt beschleunigt werden.

Die Motive für dieses Vorgehen, das der sozialpartnerschaftlichen Hausideologie des Wolfsburger Mutterkonzerns ganz und gar nicht entspricht, lassen sich durch einen Blick auf die Verkaufszahlen erahnen: Sowohl in Mexiko als auch auf dem US-Markt, für den das Werk in Puebla seit der Schließung des VW-Werks in Westmoreland eine strategische Schlüsselrolle spielt, werden steigende Verkaufszahlen registriert. Da will man nichts versäumen. Vor diesem Hintergrund ist die Drohung Josephi-Wellmanns, das Werk in Puebla ganz zu schließen und die Produktion an einen anderen Ort in Mexiko oder in die Vereinigten Staaten zu verlagern, pure Einschüchterungspropaganda.