Mit taz-Mann zum Watzmann

■ Elf Bremer taz-LeserInnen tauschten eine Woche lang die norddeutsche Tiefebene mit den Alpen / Durch Wimbachklamm und Saugasse bis zur Watzmannhütte

„Und ich hatte gedacht, die Geburt meiner Tochter wäre mein letztes Abenteuer gewesen.“ So stöhnte Monika, als am vorletzten, dem wohl schweißtreibensten und härtesten Tag unserer Wanderung, das Watzmannhaus noch immer weit entfernt und hoch über uns lag. Dabei waren wir schon sieben Stunden lang bergab- und aufgestiegen, von unbarmherziger Sonne begleitet. Einigen war der Sinn für die Schönheit des Königsees tief unter uns mittlerweile vergangen.

Eine solche Knochentour hatte Bergführer Joachim Jaudas den neun Frauen und zwei Männern unserer taz-Wandergruppe allerdings nur einmal zugemutet. Daß am Ende das Tüpfelchen auf dem i, die Watzmannbesteigung selbst, wegen eines Gewitters ins Wasser fallen mußte, hat das Erlebnis dieser Tour eigentlich nur wenig gemindert. Eine „Glücksreise“ sei es gewesen, befand Helga.

Was die TeilnehmerInnen einer solchen Wanderung erwarten würde, war eigentlich schon aus der Ausrüstungsliste hervorgegangen, von einigen allerdings nicht ganz ernst genommen: Mütze und Handschuhe seien mitzunehmen, außerdem eine Rettungsdecke aus Alufolie. Weniger wichtig auf Hütten ohne Strom und Warmwasser seien dagegen Fön und Schaumfenstiger, ließ unser Bergführer uns noch im Zug nach Berchtesgaden wissen, sammelte die unnützen Zivilisationsdinge ein und verstaute sie bis zur Rückkehr in einem Bahnhofsschließfach. Unsere rucksackbelasteten Rücken haben uns die Erleichterung später gedankt.

Der erste Tag führte uns auf einem sanft ansteigenden Weg durch die Wimbachklamm zur Wimbachgrieshütte. Thema der abendlichen Diskussion: die höhere Lebenserwartung der Frauen gegenüber den Männern und die Frage, warum sich nicht mehr Männer zu einer solchen Bergtour gemeldet hätten. War die taz-Anzeige nicht markig genug formuliert gewesen? Wir waren insgesamt wohl typische VertreterInnen des taz-LeserInnenspektrums: Großstadtmenschen zwischen Anfang Dreißig und Mitte Vierzig, in überwiegend lehrenden und helfenden Berufen: die Krankenschwester, die Heilpädagogin, die Soziologin, die Pastorin, die Ärztin, der Klavier- und der Hochschullehrer — ausgeglichene Leute, die viel und ausgelassen miteinander lachen konnten.

Nach einer Nacht auf dem Matratzenlager und anschließender Kaltwasser-Katzenwäsche führte uns die zweite Tagestour durch die montane und subalpine Blumenwelt: Knabenkraut und Trollblume, Enzian und Alpenrose. Murmeltiere zeigten sich, als wir unser erstes Schneefeld durchquerten, später auch Gemsen und Schneehühner. An diesem zweiten Tag war die norddeutsche Tiefebene, ihr Alltag, die Arbeit und was es dort sonst noch an Bedeutungsvollem geben mochte, unserem Bewußtsein schon sehr weit entrückt.

Wir bewegten uns, zwischen 1.500 und 2.500 Metern Höhe, in einer anderen Welt: Da gab es den Großen Hundstod, den einige von uns bestiegen, ebenso wie den Sommerstein und das Breithorn, das Steinerne Meer — eine Mondlandschaft aus grauem Gestein, die wir durchquerten, den Funtensee, die Saugasse, den Rinnkendl-Steig, die Kuhroint-Alm und schließ

Mit taz-Mann Joachim Jaudas (links), aber hier auf dem Breithorn Foto: Dieter Viehfues

lich das Watzmannhaus.

Von Ort zu Ort führte uns fürsorglich unser taz-Mann, ermunterte die Ängstlichen, nahm Rücksicht auf die Erschöpften, führte durchs abschüssige Schneefeld, wer sich auf wackeligen Knöcheln allein nicht traute, warnte vor Felsspalten und Löchern im Schnee, erklärte Wolkenbilder und Alpenblumen, organisierte die ruhigsten Räume in den Hütten, hatte die Pflasterrolle immer parat. Wir waren gut aufgehoben, außerdem durch Gudruns Wetterfühligkeit immer vorgewarnt, wenn ein Gewitter drohte: Sie mußte dann eine Cola trinken.

Durch Übungen am Schneehang, nach „Feierabend“ und ohne Rucksack, gewannen wir an Sicherheit. Wir lernten das richtige Bremsen, indem wir uns kopfüber ein Schneefeld hinabstürzten, im Fallen drehten und bäuchlings mit gespreizten Beinen die Füße in den Schnee stießen. Es war wie Spielen im Schnee; der Ernstfall ist zum Glück nicht eingetreten.

Merkwürdige Gestalten sind uns unterwegs begegnet: Menschen wie Gemsen, dem Hochleistungssport verfallen, die den Watzmann in einem Tag zu bewältigen suchten, und dann auch die dumpfderben, krachledernen Männertrupps, die mit ihrem Liedergegröhle die Hütte einnahmen. Aber auch Nette gab es, die uns mit Kind oder mit Hund immer wieder begegneten und die mitmachten, als wir Dieter zu seinem Geburtstag mit einer Vorlesestunde am Hüttentisch beschenkten.

Am Ende dieser Reise hatten die Berge einige wehmütige Fans mehr gewonnen, die im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder wandern gehen wollen.

Was übrigens den ehrenamtlichen taz-Korrektor Joachim Jaudas dazu bewogen hat, die taz-Tour anzubieten, erfuhren wir so nebenbei: Nicht um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ging er mit uns durch die Berge. Was diese Reise an Gewinn durch Teilnehmerbeiträge erbracht hat, geht an die Bremer tageszeitung: sein persönlicher Beitrag zur Unterstützung für das „Projekt taz“. Ines Bauschke