Demonstration an der Oberbaumbrücke

■ 1.000 Leute gegen Öffnung der Oberbaumbrücke/ Bekennerbrief zum Brandanschlag auf Schaufelbagger

Kreuzberg/Neukölln. Etwa 1.000 Leute demonstrierten am vergangenen Samstag gegen die geplante Vervollständigung des Innenstadtrings und gegen Mietwucher. Mit Sprechchören wie »Ritsche, ratsche an der Brücke, in den Stadtring eine Lücke« sowie mit Transparenten »Oberbaumbrücke bleibt Stadtringlücke« und »Miethaie zu Fischstäbchen« zogen die Demonstrationsteilnehmer vom Görlitzer Bahnhof durch Kreuzberg und Neukölln zur Oberbaumbrücke. Vor dem zum 31. Juli gekündigten »Türkenzentrum« in der Neuköllner Schinkestraße wurde eine Kundgebung abgehalten.

Unterstützung für das »Türkenzentrum«

Die Brücken-Ini, Veranstalter des Protestspaziergangs, sah die Kündigung des »Türkenzentrums«, das im Kiez seit 14 Jahren Kultur- und Jugendarbeit leistet, im Zusammenhang mit der Verkehrspolitik. Die steigenden Mieten, in diesem Fall sollte das Zentrum statt der bisherigen 6 Mark pro Quadratmeter 25 Mark zahlen, seien erst der Vorgeschmack. Die Vervollständigung des Innenstadtrings sei eine Infrastrukturmaßnahme, von der die Haus- und Grundstückseigentümer, die Spekulanten und die zukünftigen Dienstleistungsinvestoren in den innerstädtischen Bezirken kräftig profitieren würden.

Die Menschen im Kiez müßten dagegen immer mehr Miete zahlen, kleinere Läden müßten dichtmachen, soziale Projekte könnten die Kosten nicht mehr tragen. Die Räume des »Türkenzentrums« wolle ein Softwareladen mieten, aber das Zentrum werde vorerst bleiben. »Das Türkenzentrum braucht unsere volle Unterstützung«, verkündete eine Rednerin über Lautsprecherwagen. Die Zuhörer wurden aufgefordert, den Hausbesitzer in der Königsallee im Grunewald zu »besuchen«. Die Teilnehmer der Demo sollten auch die Bauarbeiten an der Oberbaumbrücke blockieren, zu den Spaziergängen an jedem Sonntag kommen und aus ihren Wohnungsfenstern Transparente hängen.

Auf der Demonstration wurde der Brandanschlag, den drei Vermummte in der Nacht auf Freitag verübt hatten, mit Applaus und Gejohle begrüßt. Inzwischen hat sich eine »Kampagne gegen Bagger« dazu bekannt. In einem zwölfzeiligen Schreiben an die taz heißt es, daß »wir im Rahmen des vielfältigen Widerstandes gegen das Projekt Oberbaumbrücke/Innenstadtring letzte Nacht die Baustelle auf der Brücke mit Mollis angegriffen und einen Bagger flambiert haben«. Nach Meldung der Polizei ist dabei die Hydraulik des Schauffelbaggers beschädigt worden. Die Täter seien mit Fahrrädern geflüchtet.

Bei der Abschlußkundgebung am Samstag hatte die Polizei vier »Wannen« vor der Oberbaumbrücke abgestellt — Fußgänger konnten die Verbindung zwischen Friedrichshain und Kreuzberg aber unbehelligt passieren. Dirk Wildt